Wenn bei der Fussball-Weltmeisterschaft in Russland kein Tor fällt, wird im schwäbischen Balingen trotzdem gejubelt. Denn allein 18 WM-Torhüter fangen die Bälle mit Handschuhen von Uhlsport, wie das Familienunternehmen stolz ausgerechnet hat. Weil der Mittelständler zudem seit gut eineinhalb Jahren die Fussball-Nationalelf Tunesiens mit Trikots ausrüstet, rechnet Geschäftsführerin Melanie Steinhilber mit einem zweistelligen Umsatzzuwachs. Zumindest ein Teil davon gehe auf das Konto des Mega-Events, das in zwei Wochen beginnt. «2018 bietet die WM in Russland die Gelegenheit schlechthin, die Marke uhlsport einem Milliardenpublikum zu präsentieren», freut sich Steinhilber.

Grosskonzerne wie Adidas und Nike halten sich mit konkreten Umsatzerwartungen an die WM dagegen auffällig zurück. Das liegt auch am Austragungsort: Das mit westlichen Sanktionen belegte Russland steckt in der Wirtschaftskrise, und die Begeisterung ist dort längst nicht so gross wie im fussballverrückten Brasilien vor vier Jahren. Adidas-Chef Kasper Rorsted nennt die direkten finanziellen Auswirkungen des Events auf das eigene Geschäft «überschaubar», obgleich allein 12 der 32 Nationalmannschaften – darunter Weltmeister Deutschland und Gastgeber Russland – in Adidas-Trikots spielen, drei mehr als damals in Brasilien. Mehr Teams hat niemand unter Vertrag.

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Fussball nur eine von vielen Sportarten

Doch der Fussball ist eben nur eine von vielen Sportarten im Adidas-Reich. 2016 setzte der Konzern 2,5 Milliarden Euro damit um, doppelt so viel wie zehn Jahre zuvor. Doch das sind nur 13,5 Prozent des gesamten Umsatzes. Und das Wachstum kam zuletzt aus China und Nordamerika, da, wo der Fussball keine so dominierende Rolle spielt. Seit Rorsted an Bord ist, nennt Adidas gar keine Fussball-Umsätze mehr.

Wichtig sei die WM vor allem für das Image der Marke, betont man in Herzogenaurach. Als offizieller Fifa-Sponsor umschifft Adidas tunlichst das heikle Thema, dass Präsident Wladimir Putin die WM politisch ausschlachten könnte. Deshalb sondert Rorsted vor allem Werbe-Botschaften ab wie: «Adidas wird in jedem Spiel auf dem Spielfeld präsent sein» oder «Jedes Tor wird ein Adidas-Tor sein» – schliesslich stellt der fränkische Sportartikelriese den offiziellen Spielball «Telstar 18».

Kasper Rorsted

Kasper Rorsted: Der Däne ist seit 2016 CEO von Adidas.

Quelle: Adidas

Puma muss Italien-Trikots abschreiben

Der kleinere fränkische Rivale Puma wagt immerhin die Prognose, dass sein Umsatz in den Mannschafts-Sportarten in diesem Jahr um mindestens zehn Prozent steigen wird. Dabei hat die verpasste WM-Qualifikation Italiens Puma-Chef Björn Gulden schwer getroffen. «Wir mussten jede Menge aufräumen. Wir hatten grosse Stückzahlen eingeplant, wir hatten viele Stoffe, wir hatten schon viel produziert – es hat uns weh getan, als wir das alles abschreiben mussten», berichtete der frühere Profi-Kicker. «Wie viel mehr wir umgesetzt hätten, wenn Italien Weltmeister in Russland geworden wäre, ist eine hypothetische Rechnung.»

Zur Schweiz und Uruguay haben Guldens Leute wenigstens noch den Senegal und Serbien unter Vertrag genommen und sind nun mit vier ausgerüsteten Nationalteams die Nummer drei hinter Adidas und Nike. Vor vier Jahren hatte Puma noch acht WM-Teilnehmer, vor allem aus Afrika. Doch inzwischen setzt man am «Puma Way» in Herzogenaurach mehr auf Vereinsmannschaften: «Die spielen einfach häufiger.»

Schweizer Nationalmannschaft im WM-Testspiel gegen Spanien

WM-Testspiel gegen Spanien: Die Schweizer Nati wird von Puma ausgestattet.

Quelle: Keystone

Die Amerikaner, die zehn Teams ausrüsten, aber den Rivalen Adidas wieder an sich vorbeiziehen lassen mussten, machen ihre eigene Rechnung auf: 60 Prozent aller Kicker, die in den 32 WM-Aufgeboten stehen, trügen Nike-Schuhe. Sogar 13 der 27 deutschen Nationalspieler liefen in Adidas-Trikots, aber mit dem «Swoosh» auf dem Schuh auf. Nur die iranische Nationalmannschaft ist Nike-frei.

«Je weiter es das Team im Turnier schafft, umso besser»

Doch der Grossteil des Geschäfts mit der WM ist für Adidas & Co ohnehin längst gelaufen – Gross- und Einzelhändler haben neue Trikots, Schuhe und Bälle schon im Winter geordert. WM-Jahre wie 2018 sorgen bei den beiden grossen deutschen Sport-Grosshändlern Intersport und Sport 2000 für bis zu zwei Prozent mehr Umsatz – dabei macht der Fussball etwa bei Sport 2000 nur sechs bis acht Prozent am Gesamtumsatz aus. «Explizit für den Bereich Teamsport bedeutet ein Event-Jahr immer 25 bis 30 Prozent Umsatzzuwachs», sagt Sport2000-Geschäftsführer Andreas Rudolf.

Wie gut es läuft, hängt bei den deutschen Händlern vor allem vom Abschneiden der Nationalelf ab. «Umsatztreiber ist das DFB-Trikot.» Im WM-Jahr 2014 hatte Adidas allein drei Millionen Weltmeister-Trikots verkauft. «Schade ist, dass in diesem Jahr die Fussballnationen Italien und Türkei nicht mitspielen», sagt Rudolf. Das spürten auch die deutschen Händler in der Kasse.

«Das Geschäft mit den DFB-Trikots ist für unsere Händler gut angelaufen», berichtet Tim Bielohoubeck, Ressortleiter Strategic Brands bei Intersport. 90.000 seien seit November schon über den Ladentisch gegangen, etwa so viele wie zur gleichen Zeit vor der Europameisterschaft 2016. Im Juni dürften erfahrungsgemäss noch einmal so viele hinzukommen. «Je weiter es das Team im Turnier schafft, umso besser für die Geschäfte unserer Händler.» Der fünfte WM-Titel könnte für einen Extra-Schub sorgen. Das Trikot mit dem zusätzlichen Stern für den vierten WM-Titel wurde 2014 allein bei den Intersport-Partnern rund 100.000 Mal verkauft. Der fünfte Stern über dem Adler wäre nicht weniger begehrt, ist sich Bielohoubeck sicher.

(reuters/ccr)