Bei der finanziell stark angeschlagenen China Evergrande Group, einst das grösste Immobilienunternehmen des Landes, sind auf einen Schlag der Vorstandschef und der Finanzvorsteher zurückgetreten. Hintergrund sind verschachtelte Kreditspiele, die zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt ans Licht kommen.

Eine vorläufige Untersuchung der Dienstleistungssparte hat ergeben, dass CEO Xia Haijun und CFO Pan Darong an der Umleitung von Krediten beteiligt waren. Die beiden hätten 13,4 Milliarden Yuan (1,92 Milliarden Franken), die der Sparte Evergrande Property Services gehörten, als Kreditgarantien verwendet, schreibt «Bloomberg».

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Die Manager hätten die Kredite «über Dritte an Evergrande Group zurückübertragen und für allgemeine Geschäftstätigkeiten verwendet», so der Nachrichtendienst mit Verweis auf eine Mitteilung des Konzerns. Die Garantien seien allerdings von Banken beschlagnahmt worden, was die Liquidität der Evergrande-Tochter gefährdet habe.

Der chinesische Konzern hat seinen bisherigen geschäftsführenden Direktor Siu Shawn zum neuen Vorstandschef und den Vizepräsidenten Qian Cheng zum Finanzvorstand ernannt. Evergrande Group sei auch in Gesprächen mit Evergrande Property Services über einen Rückzahlungsplan. 

Evergrande will Ende Monat Umstrukturierungspläne vorlegen

Der Immobilienriese ist mit mehr als 300 Milliarden Dollar verschuldet und hat mehrfach Zinszahlungen sowohl für Inlands- als auch für Auslandsanleihen nicht bedient. Damit gilt Evergrande eigentlich als pleite. Offiziell wurde der Konzern aber noch nicht für bankrott erklärt. 

Trotzdem ticken die Uhren. Bis Ende Juli will Evergrande einen vorläufigen Umstrukturierungsplan vorlegen. Dafür verbleiben dem Bauunternehmen nur noch wenige Tage. Und die jüngsten Wechsel an der Konzernspitze rufen neue Unsicherheiten hervor.

Beim Grossumbau soll die Elektroautosparte eine Rolle spielen. Der Mutterkonzern will offenbar unbedingt die Übernahme der Sparte verhindern. Evergrande Auto nimmt seit Anfang Juli Vorbestellungen für den Hengchi 5 entgegen. 

Ob die Elektroautosparte Teil des Baukonzerns bleibt, ist noch unklar. Die neue Aufstellung der Firma dürfte aber zum wichtigen Präzedenzfall für Chinas Umgang mit den ständig zunehmenden Zahlungsausfällen der heimischen Immobilienbranche werden. Peking zieht hinter den Kulissen längst die Fäden bei Evergrande.

«Das Ausmass der behördlichen Intervention wird auch Aufschluss darüber geben, wie die politischen Entscheidungsträger die Immobilienkrise in Zukunft handhaben wollen», so Jean-Louis Nakamura, Chief Investment Officer für die Region Asien-Pazifik bei Lombard Odier gegenüber «Bloomberg». Die wichtigsten Elemente, auf die man achten sollte, wären die Pläne des Unternehmens zur Veräusserung von Vermögenswerten sowie die Bedingungen für mögliche Abschläge oder Laufzeitverlängerungen. 

Fonds zur Stabilisierung

Als erste Unterstützungsmassnahme plant der chinesische Staat, einen Fonds einzurichten, um die Baubranche zu stabilisieren. Weitere Hilfen sind wahrscheinlich, denn Staatschef Xi Jinping wird die Probleme nicht noch grösser werden lassen wollen. In einigen Monaten kommt es zum Treffen der kommunistischen Partei, bei dem Chinas starker Mann seine dritte Amtszeit anstreben wird. 

Ob und in welchem Umfang sich der Staat an Evergreen beteiligen will, ist eine noch unbeantwortete Frage. Jedoch richtete der krisengeschüttelte Konzern im vergangenen Jahr einen Risikomanagementausschuss ein, dem auch leitende Manager der staatlichen «Bad Bank» angehören. 

Die Regierung ist gleichzeitig darum bemüht, die Kreditmärkte des Landes von der Annahme zu entwöhnen, dass Kreditnehmer stets gerettet werden. Hochrangige chinesische Aufsichtsbehörden haben sich wiederholt dahingehend geäussert, dass die Schuldenrisiken bei Evergrande und anderen notleidenden Immobilienunternehmen auf «marktorientierte Weise» behandelt werden sollten.

China-Gläubiger lehnten Fristverlängerung ab 

Evergrande erschütterte die Märkte Ende 2021, als es wegen einer anhaltenden Liquiditätskrise mit der Zahlung von Dollar-Anleihen in Verzug geriet. Der Schock wirkte sich auf andere Immobilienkonzerne in China aus, die ebenfalls hoch verschuldet sind. Sie alle waren immer höhere Risiken eingegangen, um vom jahrelangen Bauboom in der Volksrepublik zu profitieren. 

In einer Telefonkonferenz im vergangenen März mahnte Evergrande zur Geduld und bat die Anleger, keine aggressiven Massnahmen zu ergreifen. Seitdem sind die ungelösten Probleme nur noch gewachsen.

Zusätzlich zu den bestehenden Herausforderungen – unvollendete Wohnbauprojekte und immer höhere Schulden – verweigerten lokale Gläubiger vor rund zwei Wochen zum ersten Mal eine Verlängerung der Zahlungsfrist für eine Anleihe – eine Entwicklung, die endgültig zum bahnbrechenden Zahlungsausfall führen könnte. Ausser Xi Jinping verhindert dies.

(Bloomberg/Reuters/mth)