BILANZ: Die Lancierung von Google Street View hat in der Schweiz heftige Proteste zur Folge, auch vom Datenschutzbeauftragten Hanspeter Thür. Haben Sie die Schweizer Befindlichkeit unterschätzt, was die Privatsphäre angeht?

Urs Hölzle: Ich glaube nicht, dass Herr Thür die Meinung der Bevölkerung widerspiegelt. Deren Kommentare scheinen uns breit zu unterstützen. Es ist ein Sturm im Wasserglas.

Immerhin haben Sie sich mehrere hundert Proteste eingehandelt von Schweizern, die wollen, dass ihr Gesicht oder ihr Autokennzeichen unkenntlich gemacht wird.

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Wenn es auf sieben Millionen Einwohner ein paar hundert Proteste gibt, dann sind das ein paar Zehntelpromille. Jedes Produkt hat Leute, die es nicht mögen. Konkret wurde die Anonymisierung bisher nur bei jeweils einem von Zwanzigtausend betrachteten Panoramabildern verlangt. Street View hat den Traffic auf Google Maps um 80 Prozent gesteigert.

Wie konnte es passieren, dass einzelne Gesichter nicht verpixelt sind?

Wir können nicht alle Gesichter anonymisieren. Das haben wir Herrn Thür auch nie versprochen.

Das stellt Herr Thür anders dar.

Ich kann nicht für ihn sprechen. Aber wir haben in der Schweiz ja nichts Überraschendes gemacht. Street View gibt es schon seit Jahren in andern Ländern mit zusammen über einer halben Milliarde Einwohnern. Thür war bekannt, dass es da keine hunderprozentige Zuverlässigkeit gibt. Wir sind auch überrascht, dass er jetzt so heftig reagiert. Aber wir können im Nachhinein anonymisieren. Wenn sich ein Betroffener meldet, geschieht das in wenigen Stunden. Bei anderen Online-Fotodiensten sind die Partyfotos gar nicht verpixelt.

Die Gemeinde Küsnacht will aus Sicherheitsgründen komplett von Street View gelöscht werden. Kommen Sie dem nach?

Wenn es einen legalen Grund dazu gibt, sicher. Aber Sicherheitsgründe kann ich nicht verstehen. Mir ist nicht bekannt, dass es jemals Einbrüche oder Ähnliches gegeben hat, die mit Street View zu tun hatten. Und jedes technische Mittel kann missbraucht werden. Man kann einen Einbruch auch mit GPS planen oder ein Verbrechen per Handy in Auftrag geben. Trotzdem werden diese Geräte nicht verboten. Im Gegenteil, uns haben sogar einige Schweizer Städte angeschrieben, die gerne in Street View abgebildet würden.

Urs Hölzle

Der 45-Jährige war Mitarbeiter Nummer 7 bei Google, als noch kaum ein Mensch das Unternehmen kannte. Heute wie damals ist er zuständig für die technische Gesamtleitung des Konzerns. Der gebürtige Liestaler studierte von 1983 bis 1988 an der ETH Informatik, bevor er dank einem Stipendium an die Stanford University wechselte. Dort lernte er die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin kennen.