BILANZ: Herr Weibel, Sie haben den wohl am wenigsten begehrten Topjob. Hand aufs Herz, würden Sie diesen im Rückblick nochmals annehmen?

Benedikt Weibel: Wie kommen Sie darauf, dass das der am wenigsten begehrte Job sein soll? Das ist ein extrem guter Job, ich würde ihn erneut annehmen. Ein schwieriger Job ist eine Herausforderung. Nur das macht schliesslich Spass.

Spass, verbunden mit etwas Frust? Schliesslich stehen Sie zwischen Hammer und Amboss: Der Bund nötigt Sie zum Sparen, was wiederum die Kunden kritisieren.

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Trotz dem Spardruck können wir als einziger Bahnbetrieb auf dem Kontinent ein langfristiges Ausbauprogramm vorweisen. Ein Resultat davon ist die Bahn 2000, dank der wir nun ein fantastisches Verkehrswachstum verzeichnen. Die Herausforderung ist doch, auch mit knappen Mitteln ein Optimum herauszuholen.

Rote Zahlen, Personalabbau, Spardruck, Cargo in Schieflage. Hätten Sie mit Ihrem Rücktritt nicht besser noch zwei, drei Jahre zugewartet?

Ob die Ablösung jetzt erfolgt oder in zwei Jahren: Es gibt immer Probleme zu lösen. Die SBB-Palette ist breit, da gibt es zwangsweise Licht und Schatten. 2005 war fraglos ein schlechtes Jahr. Zwar boomt der Personenverkehr, und das Immobiliengeschäft läuft grossartig. Doch der Verlust von 166 Millionen Franken war primär bedingt durch ausserordentliche Aufwendungen. Wir haben ein grosses Problem, und das ist unsere Pensionskasse. Das ist eine Altlast unter der Verantwortung des Bundes, und diese Verantwortung muss er wahrnehmen. Allein die Rückstellungen für die Pensionskasse verschlangen 92 Millionen, dazu kam ein operativer Verlust im Güterverkehr von 75 Millionen.

Oder sind Sie zurückgetreten, bevor die Probleme überkochen?

Ich bin nicht der Typ Manager, der vor Problemen davonläuft. Noch vor einem Jahr wurde ich in jedem Interview gefragt, wann ich endlich zurücktreten werde. Erst diese Fragerei hat mich überhaupt dazu gebracht, meine Situation zu reflektieren. Vielleicht wäre ich von mir aus nicht einmal auf diese Idee gekommen. Doch ich trete in einem Moment zurück, da ich den Eindruck habe, die SBB seien gut unterwegs.

Wie sieht Ihr Résumé nach bald 14-jähriger Tätigkeit als CEO aus?

Als ich 1992 vom Bundesrat ernannt wurde, steckten die SBB in einer tiefen Krise. Die ersten sechs Jahre haben wir ausschliesslich an dieser Krisenbewältigung gearbeitet. Unser Ziel war die Bahnreform, die uns eine Chance geben sollte, am Markt zu bestehen. Diese Reform ist gelungen. Wenn ich die Bundesbahnen anschaue, dann sind sie ein völlig anderes Unternehmen. Heute befördern wir 30 Prozent mehr Personen und 50 Prozent mehr Güter, und dies mit 30 Prozent weniger Personal. Wenn das keine unglaubliche Veränderung ist!

Gleichwohl ist Ihr Salär wegen des Verlusts um 80 000 auf 520 000 Franken gefallen. Ärgert es Sie nicht, wenn Sie über die fast 40fach höheren Löhne anderer CEO lesen?

In unsere Löhne ist eine leistungsabhängige Komponente eingebaut. Da ist es eine Selbstverständlichkeit, dass der Bonus in schlechten Jahren beschnitten wird. Natürlich weist die Verhältnismässigkeit zu den angesprochenen Salären eine surreale Komponente auf. Das ändert aber nichts daran, dass ich absolut fair bezahlt bin.

Ihr letztes Jahr wollen Sie mit schwarzen Zahlen beenden. Wunschdenken oder mehr?

Es stimmt, ich möchte gerne nach einem guten Jahr abtreten. Nach den Zahlen des ersten Quartals erachte ich die Chance als gut, dass wir wieder schwarze Zahlen schreiben. Allerdings klammere ich da Rückstellungen für die Pensionskasse aus. Die grosse Unbekannte ist der Güterverkehr, denn für die Sanierung des Rollmaterialunterhalts müssen nochmals Rückstellungen getätigt werden.

Machen Sie sich Gedanken über die Zeit nach 2006?

Solche Gedanken lassen sich nicht verdrängen. Nach 28 Jahren SBB stehe ich vor einer Neuorientierung, und das in einem ziemlich hohen Alter. Mir liegen Angebote vor, auch VR-Mandate. Ich habe noch keine Entscheide getroffen, doch bis Mitte Jahr werde ich mir ein Portfolio von neuen Aufgaben zusammengestellt haben.

Was wäre da Ihr Traumjob?

Ich würde gerne an einer Uni praktisches Management lehren. Das ist nämlich exakt das, was sonst bestausgebildete Leute von Business Schools nicht können, wenn sie in die Praxis wechseln.

Benedikt Weibel (59) hat Betriebswirtschaft studiert. Seit 1978 arbeitet er für die SBB, seit 1993 als CEO. Er wird auf Ende 2006 zurücktreten. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.