Griechenlands Finanzturbulenzen schlagen ein paar Wellen im Unternehmertum Europas: Der Markteinbruch torpedierte geplante Anleiheemissionen und Aktienangebote und versetzte Konzerne in den Krisenbewältigungsmodus, um mit verunsicherten Kunden umzugehen.

In Deutschland legten der Immobilieninvestor ADO Properties sowie das Modeunternehmen CBR Fashion Holding ihre Börsengänge auf Eis und verwiesen auf die volatilen Märkte, während Adler Real Estate die geplante Emission einer Wandelanleihe stoppte.

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Bei den Reiseveranstaltern Tui AG und Thomas Cook Plc liefen die Drähte heiss mit Kundenanfragen über den Zugang zu Bargeld in Griechenland, nachdem das Land zum Schutz seines Bankensektors Kapitalverkehrskontrollen eingeführt hatte. Die griechische Titan Cement Co. setzte ihre Dividende aus.

ABB-Kunden sind verunsichert

Die Krise lähme die Entscheidungsprozesse in Europa, bedrohe Arbeitsplätze und bremse das Wirtschaftswachstum, sagte Ulrich Spiesshofer, Chef des Schweizer Automatisierungstechnikkonzerns ABB Ltd. Viele ABB-Kunden sind seiner Aussage nach durch die Lage verunsichert, weil die griechische Krise zur Wachstumsabkühlung in China und zur Unsicherheit über die Wirtschaft in den USA und in Großbritannien noch hinzukommt.

Griechenland stellt für die meisten Grossunternehmen in Europa zwar nur einen kleinen Markt dar, und die Führungskräfte konnten sich schon seit Jahren auf die direkten Auswirkungen vorbereiten. Die Krise lässt jedoch Zweifel an der wirtschaftlichen Stabilität des gesamten Euroraums aufkommen.

Griechenlands finanzieller Zusammenbruch könnte die Instabilität auf viel wichtigere Volkswirtschaften ausweiten wie jene von Italien, Spanien oder sogar Frankreich. «Das wahre Risiko besteht darin, dass die Krise in Griechenland ein breiteres Übergreifen auf die Eurozone und die globalen Finanzmärkte auslöst», erklärte Neil Shearing, Ökonom von Capital Economics in London.

Zunehmende Nachfrage aus Griechenland?

Einige europäische Unternehmen bereiten sich allerdings auch auf eine zunehmende Nachfrage aus Griechenland vor. Die niederländische Royal FrieslandCampina NV kündigte an, ihre Vorräte in dem Land aufzustocken. Der Molkereiprodukte-Hersteller rechnet damit, dass sich die nervösen Griechen mit Basisprodukten wie Milchpulver und Babynahrung eindecken werden.

Europäische Touristen überdenken derweil ihre Reise an einen der beliebtesten Sommerferienorte auf dem Kontinent. «Die Menschen fragen zunehmend im Call-Center nach, ob sie dort noch hinfahren können», erklärte Hanita van der Meer, Sprecherin des Reiseveranstalters Thomas Cook. «Es gab einen gewissen Rückgang bei den Buchungen, aber keinen extremen.» Der Touristikkonzern rät den Reisenden allerdings dazu, mehr Bargeld von daheim mitzunehmen.

Mit Referendum die Märkte schockiert

Griechenland hat am Montag Kapitalverkehrskontrollen eingeführt und Barabhebungen und den Geldtransfer ins Ausland eingeschränkt. Ministerpräsident Alexis Tsipras setzte für den 5. Juli eine Volksabstimmung über die Sparmassnahmen an, was im Endeffekt über die Zukunft des Landes im Euroraum entscheidet.

Etwa 1,5 Billionen Dollar an Wert wurden am Montag an den globalen Aktienmärkten ausgelöscht - so viel wie seit zwei Jahren nicht mehr -, als Tsipras mit dem Referendum die Märkte schockierte. Während einige Experten die Wahrscheinlichkeit eines Euro-Austritts auf bis zu 85 Prozent beziffern, steht Europa eine Woche oder noch länger mit hohem Drama bevor, das die Integrität des weltgrössten Währungsblocks gefährden könnte.

«Auf diesem Weg keine Gewinner»

«Diese Situation kann nicht viel länger so weitergehen, denn irgendjemand muss merken, dass es auf diesem Weg keine Gewinner geben kann», sagte Boris Boehm, Fondsmanager bei Aramea Asset Management in Hamburg. «Da sind zwei Autos, die mit Vollgas aufeinander zufahren, und keiner ist willens umzulenken.»

Branchen wie die Getränkeindustrie und die Werbewirtschaft haben nach Aussage ihrer Führungskräfte die letzten Jahren damit verbracht, ihre Aktivitäten in Griechenland zu drosseln, während sich die Wirtschaftskrise im Lande weiter verschlimmerte. Ivan Menezes, Chef des britischen Alkoholika-Herstellers Diageo Plc, sagte, sein Griechenland-Geschäft habe gemessen am Nettoumsatz heute nur noch ein Viertel der Größe wie im Jahr 2008.

«Griechenland macht 0,1 Prozent unserer Umsätze aus und fällt prozentual», erklärte Martin Sorrell, Chef der Werbegruppe WPP Plc. «Wir hatten genügend Zeit zum Planen!»

(bloomberg/ccr)