Die neue, hochmoderne Gondelbahn über das Urdental nach Lenzerheide soll Gäste in den Bündner Ferienort Arosa locken. Und das tut sie auch: Über 300 000 Passagiere haben in der ersten Wintersaison die Bahn benutzt. Das ist ein Erfolg für die Promotoren, die damit Arosa/Lenzerheide in die Top 10 der Schweizer Skigebiete katapultieren wollen. Doch der Andrang bei der Gondelbahn ist volkswirtschaftlich von geringer Bedeutung: Arosa wird als Teil der Region Schanfigg auch in Zukunft kaum etwas zum Wirtschaftswachstum in der Schweiz beitragen. Die – zugegebenermassen kleine – Bündner Region steuert jährlich nur gerade 0,01 Prozent zum Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) bei und bildet damit das Schlusslicht in der vom Forschungsinstitut BAK Basel Economics erstellten Prognose-Rangliste.

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Die Musik in der Schweiz spielt anderswo. In den grossen Zentren und ihren benachbarten, stark besiedelten Regionen, die allein schon wegen ihrer Grösse und ihres hohen Anteils an Arbeitsplätzen einen bedeutenden Beitrag zum Wachstum leisten. Doch eine hohe Anzahl Einwohner allein garantiert noch keinen Spitzenplatz. Dies zeigt das Beispiel der Region Thun, die trotz relativ grosser Bevölkerungszahl im Ranking der Basler Ökonomen gerade mal auf Platz 46 landet.

Branchen sind entscheidend

Von zentraler Bedeutung ist die Branchenstruktur einer Region, wie Martin Eichler, Chefökonom von BAK Basel Economics, betont. «Einen hohen Wachstumsbeitrag leisten Regionen mit hochproduktiven und innovationsgetriebenen Wirtschaftszweigen.» Das heisst: mit Pharma, Präzisionsindustrie, Luxusuhren, Finanzindustrie, Rohstoffhandel, IT, Design – aber auch mit Zentralen von multinationalen Konzernen. Und sogar die vielgeschmähte öffentliche Verwaltung und die oft als wenig dynamisch geltenden Service-public-Betriebe leisten einen beachtlichen und – vor allem auch – stabilisierenden Beitrag zum Wachstum, was sich vor allem in Krisenzeiten bemerkbar macht. So schaffte die Region Bern in den von der Finanzkrise gebeutelten Jahren gar den Sprung aufs Podest. Auf der Verliererseite stehen die Landwirtschaft und der Tourismus in den ländlichen Regionen.

Region Genf an der Spitze

Für die feingliedrige Analyse haben sich die Konjunkturforscher auf die 106 sogenannten «Mobilité Spatiale»- oder kurz MS-Regionen gestützt, die 1982 definiert wurden, sich durch räumliche Homogenität auszeichnen und zum Teil auch kantonsübergreifend sein können. Der unbestrittene Spitzenplatz gehört der Region Genf, die von der Fläche her dem Kantonsgebiet entspricht.

Auf ihr Konto gehen nicht weniger als 11 Prozent des Schweizer BIP-Wachstums, das die Konjunkturforscher für die Jahre 2016 bis 2020 auf durchschnittlich 1,8 Prozent pro Jahr schätzen. Die Region zeichnet sich durch einen breiten Mix an Uhren-, Chemie- und Biotechfirmen aus, mit einem starken Rohstoffhandel, einem zwar rückläufigen, aber noch immer bedeutenden Privatbankensektor, mit vielen Hauptsitzen multinationaler Grosskonzerne – und mit der Genève Internationale, die allein knapp 30 000 Stellen sowie eine jährliche Lohnsumme von rund drei Milliarden Franken generiert.

Der Genfer Aufstieg beginnt mit dem Inkrafttreten der Bilateralen. «Das BIP pro Kopf ist im Kanton Genf zwischen 2002 und 2012 um rund 25 Prozent gewachsen – und damit rund doppelt so stark wie im Schweizer Durchschnitt», sagt der Genfer Volkswirtschaftsdirektor Pierre Maudet. Sein Fazit: «Es ist das Ausland, das uns bereichert.»

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