Kennen sie den Lippenstift-Index? Seit 2001 wird der als Konjunktur-Zeiger verwendet: Läuft es wirtschaftlich schlecht, wird mehr Lippenstift verkauft, weil Frauen sich weniger Teures leisten, aber mehr Geld für kleine Luxusgüter ausgeben.
Und weil wir gerade bei Schattierungen von Bordeauxrot zu Pink sind: Den Rosé-Index gibt es noch nicht, aber ein Blick in die weinwirtschaftlichen Statistiken des Bundesamts für Landwirtschaft zeigt: Je heisser der Sommer, desto mehr Schweizer Rosé wird getrunken. Seit dem Weinjahr 2002 hat der Konsum von Schweizer Rosé eine eigene Rubrik in den Tabellen und Grafiken der helvetischen Weinwirtschaft.
Der Rosé-Konsum steigt mit den Temperaturen
Im Rekordsommer 2022 — es war der heisseste Sommer in der Schweiz seit Messbeginn — lag der Konsum von Schweizer Rosé bei 6,7 Million Liter. 2024, als der Frühsommer verregnet und die Hitzewellen kürzer und weniger heftig waren, wurden schätzungsweise 4,8 Millionen Liter getrunken. Die Menge der importierten Rosé-Weine ist nicht eingerechnet.
Es gibt viele Gründe, Rosé zum Superstar der Sommerweine zu küren. Er macht farblich etwas her. Er wird kühl getrunken. Er hat eine erfrischende Säure. Er hat keine oder nur sehr wenig Gerbstoffe. Er ist der charmante Begleiter für einen langen kulinarischen Sommerabend.
Rosé passt zum Apéro mit Fingerfood wie Baguette mit Olivenpaste, Tomaten-Bruschetta oder zu Fladenbrot mit Baba Ganoush und Hummus. Und egal, ob Fisch oder Steak auf dem Grillrost gart: Rosé macht auch hier eine gute Figur. Zum beerigen Dessert öffnet man eine weitere Flasche oder greift zu Rosé-Schaumwein mit einer höheren Dosage. Das frische Prickeln belebt jede Panna cotta.
Wer hats erfunden?
Wer wo und wie den ersten Rosé kelterte, lässt sich nicht beantworten. Auch die selbstbewussten Rosé-Winzer aus der Provence halten sich bei diesem Thema diskret zurück. Aber: Als 1936 in Frankreich bezahlte Ferientage eingeführt wurden, erlebte der Tourismus in der Provence einen ersten Boom und mit ihm der zartrosa bis lachsfarbene Wein.
1946 soll der erste italienische Rosato in Apulien in Flaschen gefüllt worden sein. Im Kanton Neuenburg sollen die Weinbauern seit dem 19. Jahrhundert Rosé aus Pinot noir keltern. Seit 1861 heisst die Spezialität wegen seiner zartrosa bis bronzefarbenen Tönung Œil de Perdrix (Rebhuhnauge).
Merlot Rosato aus dem Tessin gibt es seit den 1980ern. Damals war die Schweizer Weinwirtschaft nicht auf Rosen gebettet. Für Tessiner Merlot-Produzenten war Diversifizierung eine Option, um den Konsumenten zu zeigen, was Merlot alles kann.
Wein einer Nacht
Weshalb Wein einer Nacht? In der Regel wird Rosé aus roten Trauben gemacht. Deren Farbstoffe stecken in den Beerenhäuten. Je kürzer der Most in Kontakt mit den Häuten ist, desto heller der Wein. Dann wird sanft gepresst und vergoren. Beim Saignée-Verfahren wird der freilaufende Most nach ein paar Stunden von der Maische getrennt und als Rosé separat ausgebaut. Der wohltuende Nebeneffekt: Der Rotwein wird dunkler und ist konzentrierter.
In manchen Regionen erlaubt der Gesetzgeber, Weiss- und Rotweine zu mischen. Werden rote und weisse Trauben gemeinsam geerntet und verarbeitet, darf der Wein in der Schweiz Schiller heissen. Wer in den USA Lust auf einen hellrosa, leicht süssen Zinfandel hat, bestellt einen Blush in der Weinbar.