Sie schimmern golden im Glas, duften nach reifer Aprikose, Ananas, Datteln, getrockneten Feigen und Honig. Edelsüsse Weine, wie Sauternes, Trockenbeerenauslesen aus Deutschland und Österreich oder Tokajer sind die Quintessenz des Herbstes.
Entscheidend für die Produktion sind die richtigen Wetterbedingungen im Herbst. Es braucht Feuchtigkeit. In sehr trockenen Weinregionen ist die Produktion von edelsüssen Weinspezialitäten nicht möglich.
Ohne Pilz keine Edelsüsse
Sauternes gehört zu den berühmtesten Süssweinen überhaupt. Die Weinregion im Südosten der Stadt Bordeaux liegt nahe der Garonne und deren Zuflüsse. Im Herbst sorgen Nebelbänke für Feuchtigkeit in den Rebparzellen. Mittags scheint die Sonne als Reifebooster für die Sorten Sémillon, Sauvignon blanc und Muscadelle.
Wein-Ikonen wie Sauternes oder Tokajer werden aus edelfaulen Trauben gemacht. Jedes Jahr zittern die Winzer um ihre Ernte, denn wenn es regnet, ist es mit der Konzentration von Zucker und Säure vorbei.
In diesem Mikroklima bildet sich der Edelfäule-Pilz Botrytis cinerea. Er perforiert die Beerenhaut, das Wasser in den Beeren verdunstet. Zucker und Säure werden konzentriert, die Beeren verschrumpeln. Wegen der hohen Zuckerkonzentration stoppt die Gärung im Keller. Stoffwechselprodukte des Pilzes sorgen für den honigartigen Geschmack und das ultrageschmeidige Gefühl am Gaumen.
Spezialfall Tokajer
Die Produktion von Tokajer in Ungarn ist noch komplizierter. Produziert wird er aus den Sorten Furmint, Hárslevelü und Gelber Muskateller. Auch hier tut der Botrytis-Pilz sein Werk. Die Lese erfolgt gestaffelt. Bei jedem Durchgang werden die verschrumpelsten Beeren geerntet, in 25-Liter-Butten (Puttonyos) gesammelt und in einer Korbpresse zu einer Paste (Aszú) verarbeitet.
Fast schon Rosinen sind die Beeren für den Tokajer Aszú.
Parallel dazu wird weisser Grundwein aus reifen, gesunden Trauben produziert, der sich meist noch in der Gärung befindet, bevor er der Aszú-Paste zugesetzt wird. Oben schwimmende Traubenkerne werden entfernt, dann wird das Gemisch unter Rühren bis zu 48 Stunden mazeriert und danach gepresst. Nach der Gärung reift der Tokajer mindestens 18 Monate in grossen Holzfässern oder in Barriques.
Eszencia — wie eine flüssige Praline
Eszencia, die besonders teure Variante, wird vor dem Pressen des Aszú-Gemisches aus dem Vorlaufmost gewonnen. Wegen des hohen Zuckergehaltes kann sich die Gärung über Jahre hinziehen und oft werden die für Wein erforderlichen fünf Volumenprozent Alkohol nicht erreicht. Restzuckergehalte bis zu 450 Gramm pro Liter machen die Eszencia zu einem honigartigen Genuss, der in Likörgläsern ausgeschenkt wird.
(W)eingeschenkt
Dieser Artikel ist im neuen Weinchannel (W)eingeschenkt der Handelszeitung erschienen, der von Mövenpick präsentiert wird. Weitere aktuelle Beiträge zum Thema Wein finden Sie hier.