Über zwanzig Jahre hat es gehalten, das Regal aus einfachen Holzkisten vom Grossverteiler. Die Fächer waren schnell gefüllt. Und dann folgten die Weinkartons vor dem Kistenregal. Irgendwann war kein Durchkommen mehr.
Es galt die Devise: Champagner und die aktuellen Lieblingsweine müssen immer griffbereit sein. Die restlichen Flaschen verharrten im Chaos – und reiften.
Gute Planung ist alles
Als sich der Weinbestand in andere Kellerräume auszubreiten drohte, war es genug. Wir schätzten die Anzahl Flaschen und bestellten ein solides Holzregal, das auch Platz für zukünftige Käufe bot.
Die Weinflaschen lagerten wir in vierzig Getränkeharassen zwischen. Geschlossene Holzkisten blieben zu. Das von einem Schreiner ausgetüftelte Modulsystem liess sich ohne Schrauben und Dübel einfach aufbauen.
Wein-Messie
Unser Weinbestand ist ein Sammelsurium. Das ist berufsbedingt. Was mich interessiert und begeistert wird in kleinen Mengen gekauft. Viele Weine sind daher Einzelflaschen.
Nachdem wir die Fächer durchnummeriert hatten, kam die Bestandesaufnahme. Wir verbrachten drei Wochenenden mit dem Laptop im Keller. Weine erfassen, Trinkfenster bestimmen, in die Regalfächer räumen und darüber streiten, welche Flaschen nur noch Kellerleichen sind und entsorgt werden müssen.
Preziosen aus der Versenkung
Am Anfang war die Arbeit ernüchternd. Aber als die Hälfte der Getränkeharasse abgebaut war, kamen die Preziosen. Wie die Weine aus dem Elsass, die vor über zehn Jahren gekauft wurden. Die Etiketten haben unter der Feuchtigkeit gelitten. Bei einer Flasche fehlte das Label ganz.
Die wanderte hoch in die Küche. Riesling, Pinot gris oder Gewürztraminer? Goldgelbe Farbe, Aromen von reifen, gelbfleischigen Früchten sowie einem Hauch Safran und Waldboden. Viel Schmelz am Gaumen. Üppig, ohne überladen zu wirken: Die namenlose Flasche beinhaltete eine Pinot gris Spätlese und weckte Erinnerungen.
Flashback
Sie erinnerte an eine Pressereise ins Elsass und an die Frage eines niederländischen Journalisten während einer Degustation mit den Winzern, ob es nicht an der Zeit wäre, den Elsässer Weinstil dem Zeitgeist anzugleichen: Weniger Spätlese, mehr Easy-drinking. Die Reaktion eines Produzenten ist mir geblieben: «Je fais du vin et pas de la mode!» Ich mache Wein und keine Mode!
Darum kauften wir ein Jahr später bei eben diesem Traditionalisten 18 Flaschen Wein. Alles Spätlesen von Riesling, Gewürztraminer und Pinot gris. Die Erinnerungsstücke, zu denen wir wegen des Kartonchaos keinen Zugang mehr hatten, haben jetzt ein Fach für sich. Und die klassische Spätlese passte perfekt zum Risotto mit frischen Steinpilzen.
(W)eingeschenkt
Dieser Artikel ist im neuen Weinchannel (W)eingeschenkt der Handelszeitung erschienen, der von Mövenpick präsentiert wird. Weitere aktuelle Beiträge zum Thema Wein finden Sie hier.