Sauergrauech ist eine alte Schweizer Apfelsorte mit einem «weinsäuerlichen» Geschmack. Also gar nicht weit weg vom Duft des Pinot grigio aus Norditalien. «Apfel» hätte es auf dem Verkostungsblatt auch getan, doch die aromatische Welt der Äpfel ist gross. Warum also nicht das Wahrgenommene präzisieren.
Unser Geruchssinn ist enorm wichtig. Die Nase zeigt an, wo es etwas zu essen gibt. Die Nase warnt vor Gefahren, wie verdorbene Lebensmittel. Mit rund 350 Riechrezeptoren können wir einigermassen über die Runden kommen. Hunde kommen auf 1'200 Rezeptoren, trinken aber keinen Wein.
Viele Düfte wecken emotionale Erinnerungen
Kitzelt ein Duft unsere Nase, gelangt er zum Riechkolben im Gehirn, wo verschiedenen Duftmoleküle zu einem Gesamteindruck zusammen gesetzt und im limbischen System gespeichert werden. Dort liegt das Zentrum für Erinnerungen, auch den emotionalen.
Wenn Sie der Hauch eines Parfüms rührt, weil er an eine verflossene Liebe erinnert, hat die emotionale Erinnerung zugeschlagen. Wenn Sie beim Bauern aus purer Neugier Sauergrauech Äpfel gekauft haben und noch auf dem Weg nach Hause herzhaft in einen beissen, die Spätsommer Luft geniessen und sich schon ein bisschen auf den Herbst einstimmen, dann freut sich ihr limbisches System über dieses neue Aroma und über die emotionale Erinnerung.
Das limbische System trainieren
Das Sauergrauech-Aroma können Sie dann bei der nächsten Weinverkostung abrufen. Für Weintrinker ist dieses Training eine feine Sache. Mit offener Nase durch den Alltag gehen, den Duft frischgerösteter Kaffeebohnen riechen. Oder wieder einmal ein Cola-Fröschli schlecken. Auch diese Süssigkeit wird oft in Rotweinen herausgeschnuppert.
Und ganz ehrlich: Als «Papierli-Schweizerin» musste ich auch erst ein paar Cola-Fröschli zum Training meines limbischen Systems schlecken, mich durch die Sortenvielfalt Schweizer Äpfel futtern und Pumpernickel in Dosen aus dem nördlichen Nachbarland für Schweizer Weinnase mitbringen. Damit die mich nicht mit grossen Augen anschauen, wenn ich von «Westfälischem Pumpernickel» in reifen Süssweinen rede.
Weinnasen-Training kostet nichts
Am besten nehmen Sie das Training noch heute auf. Der Spätsommer hat sehr viel zu bieten: reife Pfirsiche, unreife Brombeeren, Kulturheidelbeeren versus Wildheidelbeeren, frische Amalfi-Zitronen aus den Sommerferien und rezenten Bergkäse, der im Süden so schmerzlich vermisst wurde, die ersten Steinpilze und, und, und.