Der Bankensektor bleibt in den Führungspositionen männerdominiert. «Es muss mehr getan werden», zu diesem Fazit kommt die zum dritten Mal durchgeführte Studie der Boston Consulting Group (BCG) zur Geschlechterparität im europäischen Banking. 

Konkret bedeutet das: Gerade mal fünf der fünfzig untersuchten börsennotierten Banken haben eine Frau an ihrer Spitze. Das sind zwei weniger als im Vorjahr, da die Bank of Ireland wie auch die polnische PKO Bank ihre weibliche Führung durch eine männliche ersetzten. 

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In den absolut 50 börsennotierten Banken werden weniger als ein Viertel der Vorstandsposten von Frauen eingenommen. Bei den Aufsichtsräten sind es 43 Prozent, dafür ist dort die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen mit 19 Prozent beachtlich. 

Momentum der Neubesetzung nutzen

Julia Rolf, BCG-Partnerin und Mitautorin, sagt dazu: «Das Thema der Geschlechterparität ist immer wieder auf der Agenda der Banken, aber es ist nicht mit dem Fortschritt versehen, der erwartbar gewesen wäre. Es hat eher eine gewisse Trägheit eingesetzt.»

Der schwerwiegendste Grund dafür liegt laut Julia Rolf in der Sensitivität für die Thematik: «Wie auch das Thema Nachhaltigkeit, ist die Geschlechterparität medial sehr präsent, wird aber selten ins eigene Umfeld übertragen. Es geht darum, das Momentum der Neubesetzungen zu nutzen.» Konkret bedeutet das, dass Führungspersonen sich bei der Besetzung neuer Stellen fragen müssten, ob im vorliegenden Portfolio auch genügend Kandidatinnen berücksichtigt werden. 


In der Schweiz fehlt die Priorisierung

Im Zusammenhang mit der Studie veröffentlichte BCG einen Gender Equity Index, der zeigt, wie gut es um die Geschlechterparität in den einzelnen Banken jeweils steht. Auf Platz eins findet sich dieses Jahr die niederländische Bank ABN AMRO. Sie hat den Sieger von letztem Jahr, die norwegische Bank DNB ASA, überholt. Die Schweiz, die mit vier Banken Teil der Studie war, ist in den Top 10 allerdings nicht vertreten. 

Julia Rolf sieht den Grund dafür vor allem im Mangel einer institutionalisierten Quotenregelung, wie sie in anderen Ländern von der EU oder Dachverbänden vorgegeben werden. Zwar gibt es auch in der Schweiz firmeninterne Diversitäts-Zielsetzungen, die auf der Agenda der jeweiligen Banken stehen, aber diese bekommen oft nicht die nötige Priorität. 

Dabei würde sich eine strengere Priorisierung der Geschlechterparität für die Banken allemal lohnen, wie andere Studien der BCG zeigen: «Mehr Diversität führt zu einer höheren Performance des Unternehmens, da so mehr Perspektiven eingebracht werden. Wenn eine Gruppe sehr einheitlich ist, denkt sie auch sehr ähnlich», sagt Julia Rolf. 

Fintechs sind kein Vorbild

Neben den Banken gibt die BCG-Studie auch einen Einblick in die Geschlechterparität von Fintechs. Die Zahlen dazu sind allerdings ähnlich ernüchternd wie bei den traditionellen Banken: Gerade mal jedes fünfte europäische Fintech hat eine Gründerin und jedes dritte einen weiblichen Vorsitz. Das fällt zusätzlich ins Gewicht unter dem Befund, dass Fintechs von Gründerinnen «wegen fortbestehender geschlechtsspezifischer Vorurteile» 30 Prozent weniger Funding erhalten als solche von männlichen Gründern. 

«Wie auch das Thema Nachhaltigkeit, ist die Geschlechterparität medial sehr präsent, wird aber selten ins eigene Umfeld übertragen.»

Julia Rolf, BCG-Partnerin

«Wir hätten gedacht, dass sich ein anderes Bild zeigt, da eher jüngere Leute gründen und dort ein anderes Mindset herrscht. Dass sich die weibliche Gründungsquote aber knapp im 20er-Bereich aufhält und so niedriger ist, war unerwartet», sagt Julia Rolf.

Die Gründe dafür liegen ebenfalls in der Sensitivität. Bereits in der Schule, sagt Julia Rolf, werden Beispiele von weiblichen Firmengründungen zu wenig thematisiert. Ein positives Gegenbeispiel bilden die skandinavischen Länder. Dort ist die Geschlechterparität deutlich institutionalisierter, weibliche Vorbilder in Führungspositionen sind sichtbarer und die Flexibilität, etwa, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, ist ausgeprägter.

 

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