Wenn Firmen neue Führungsmodelle verkünden, hagelt es ziemlich sicher Kritik. Vor kurzem traf es die Bank Vontobel. Sie gab bekannt, dass das altehrwürdige Finanzinstitut künftig von einer Frau und einem Mann – Christel Rendu de Lint, Head Investments, und Georg Schubiger, Head Wealth Management – geführt werde.

Der Protest folgte auf den Fuss: von Ex-UBS- und -CS-Chef Oswald Grübel etwa, oder von Bankanalysten, die die üblichen Argumente brachten wie «Reibungsverluste» oder «nicht teilbare Verantwortung». Auch diese Zeitung vertrat in einem Kommentar diese Meinung.

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Sicher, man kann skeptisch sein. Man kann sich aber auch fragen, ob denn das traditionelle Modell wirklich so viel genialer ist. Ich persönlich hab mich als Arbeitnehmerin jedenfalls einige Male in meiner Karriere dafür bemitleidet, dass ich bloss einen Chef hatte (eine Chefin hatte ich leider nie). Ich rekapituliere: Ein Vorgesetzter hatte mich trotz guter Leistungen persönlich auf dem Kieker und stellte mich in Sitzungen deshalb regelmässig bloss. Ich litt sehr darunter und verliess die Firma später. Ein anderer verpasste es, Frauen in einer männlich geprägten Kultur Raum und Gehör zu geben, was mich ebenfalls irritierte und letztlich zur Kündigung animierte. Ein Dritter machte mir Avancen. Auch das trieb mich ein Haus weiter.

Die Gastautorin

Karin Kofler ist Geschäftsführerin der Zuger Wirtschaftskammer und freischaffende Publizistin.

Wer weiss, was herausgekommen wäre, hätte ich in diesen Situationen eine zweite Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner gehabt? Günstlingswirtschaft, Desavouierungen, Fehlbewertungen von Mitarbeitenden, unbewusste Vorurteile, Männerseilschaften: Ich behaupte, all das unterliegt mit einer geschlechterdurchmischten Doppelspitze zumindest einem gewissen Korrektiv. Vorausgesetzt es matcht wirklich zwischen den Co-Leitern und -Leiterinnen. 

Das zeigen übrigens auch Studien zu Dual Leadership: Ob es ein Dreamteam gibt, hängt stark von der Kollaboration der beiden Personen ab. Der hohe Abstimmungsfaktor muss auch nicht zwingend nur negativ bewertet werden. In einer Springer-Studie von 2021 etwa wird darauf verwiesen, dass das Ringen um Verständigung nicht als negativer Kostenfaktor, sondern als «Kultivierung eines Lerndialogs» validiert werden kann. 

Und da sind wir doch beim Kern des Problems: Viele dieser Alpha-Tierchen an den Unternehmensspitzen sind in Systemen gross geworden, in denen sich Ellbogen und Durchsetzungsstärke als nützlicher erwiesen haben zum Erlangen einer Führungsposition als soziale Lernbereitschaft. Gerade die Banken sind nun wirklich nicht bekannt für avantgardistisches Leadership. Darum meine ich: mehr vom Vontobel-Modell bitte! Und wenn der Versuch schiefgeht: dranbleiben.