Vor kurzem kam auf einem Trend-Vortrag die Frage auf, welcher Führungsstil heute der richtige sei. Die Antwort: «Das ist ganz klar. Die Führungskraft muss fortan Mutter sein.» Mutter? Ja. Das sogenannte Caring sei im Trend und fortan ein Muss für alle Vorgesetzten. Aber: Gab es das nicht schon einmal, oder zumindest so ähnlich?

Vor rund zwanzig Jahren schickte man Führungskräfte – oder im heutigen Fachjargon Leader – im Rahmen von Weiterbildungsprogrammen bei Nacht und im Mondscheinlicht in ein Wolfsgehege. Ziel der Initiative war es, von Wölfen und natürlich allem voran dem Leitwolf, richtiges Führungsverhalten abzuleiten.

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Bienen, Väter, Best Buddies und Entertainer

Auf den Leitwolf folgte die Bienenkönigin. Auf die Bienenkönigin der Vater. Dann die beste Freundin, alles vereint mit Seelsorgepflichten, Fähigkeiten zum Gedankenlesen und natürlich auch einem Engagement als Entertainer. So vielfältig die Ansätze, so nüchtern die Ergebnisse. Zurückblieben nach solchen Schulungen oder Workshops zumeist Verwirrung und Verunsicherung. 

Neben der Tatsache, dass ein Team aus Menschen weder vergleichbar ist mit einem Wolfsrudel noch mit einem Bienenstock, und dass Unternehmen auch nicht als Familienersatz fungieren können, ist der zugrunde liegende Fehler oft derselbe: Man tappt in die Falle des Ideals.

Ob in Gesprächen mit Personalern oder in Führungsseminaren, auf die Frage, was eine gute Führungskraft ausmacht, wird im Handumdrehen eine lange Liste an Eigenschaften erstellt: anführend, belastbar, geduldig, empathisch, begeisternd, charismatisch, ehrlich, kommunikationsstark. Das Problem: Man kann eine ideale Führungskraft zwar beschreiben, aber finden kann man sie nicht. Teilnehmende von Seminaren verstummen jeweils, wenn sie Personen nennen sollen, auf die alle Beschreibungen zutreffen. Es ist realitätsfern. Zudem ist die Frage nach dem Ideal die falsch gestellte Frage. 

Vorbild in Sachen Integrität, Respekt und Wertschätzung

Richtiger wäre es zu fragen, was eine wirksame Führungskraft ausmacht. Welches Verhalten führt zu guten Ergebnissen? Sofort wird die Liste kürzer und einheitlicher: Eine gute Führungskraft sorgt für Ziele und Strukturen, die Selbstorganisation und Klarheit fördern. Sie delegiert, hört zu, fordert und fördert stärkenorientiert. Sie ermöglicht Weiterentwicklung und schafft ein Klima von Vertrauen, weil sie Vorbild ist in Sachen Integrität, Respekt und Wertschätzung. 

Viel mehr als vermeintlich neue Ansätze in Sachen Führung braucht es heute die Rückbesinnung darauf, dass die Angestellten Menschen sind und entsprechend wie Menschen behandelt werden wollen. Und nicht wie Wölfe, Bienen oder Kinder. Es braucht keine Caring-Ansätze, es braucht gelebte Werte. Und wer lebt die besser vor als die eigene Führungskraft?