Ferien sind da zum Abschalten: runterfahren, zur Ruhe kommen, Energie tanken. Das liegt aber nicht jedem, wie auch das Buch «Abschalten» von Martin Suter zeigt: Was ist der Graus aller Manager? Ferien! Der totale Kontrollverlust! Deshalb müssen sie auch am Pool alles managen – und gedanklich verbleiben sie sowieso bei der Arbeit. Bis alles eskaliert.

Was Suter vor Jahren literarisch verarbeitete, beschränkt sich heute längst nicht mehr auf das obere Kader. Die Schwierigkeit mit dem Abschalten beklagt heute die gesamte Belegschaft: Gemäss einer neuen Umfrage der Jobplattform Indeed arbeiten 65 Prozent aller Schweizer in den Ferien weiter. Mehr als jede Zweite liest also nicht nur die Mails, sondern bearbeitet sie aktiv.

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Das Paradox der Arbeitswelt

Ein klassischer Grund dafür liegt auf der Hand: Wir sind alle erreichbar geworden. Die Arbeit findet heute auch im Wohnzimmer, spät am Abend und eben in den Ferien statt. Noch schnell ein Mail checken, eine Antwort schicken – kein Problem. Doch wer nicht loslässt, erholt sich nicht. Diesem Verhalten liegt ein weiteres Problem zugrunde: Viele halten sich für unersetzlich. Sie befürchten den Ausbruch des totalen Chaos, wenn sie nicht den finalen Entscheid fällen. Das gilt für Chefinnen und Chefs, aber auch für die Angestellten.

Dazu kommt das Paradox: Wer in den Ferien arbeitet, scheint zuverlässig. Dabei schadet dieses vermeintlich pflichtbewusste Weiterarbeiten nicht nur der eigenen Leistung, sondern sät auch Zweifel und Unsicherheit. Teams, die permanent überwacht werden, entwickeln keine Eigenverantwortung und bleiben unselbstständig.

Die Chance für die Stellvertretung

Klar, es gibt Themen, Projekte und Probleme, bei denen man als Hauptverantwortlicher tatsächlich das letzte Wort haben muss. Doch Hand aufs Herz: Kaum ein Problem lässt sich nicht um eine Woche verschieben, und die Anzahl solcher immens wichtiger Projekte ist beschränkt.

Abhilfe schafft in diesem Fall die Stellvertretung. Nicht nur kann sie einen entlasten, für sie ist es auch die Gelegenheit, das eigene Können zur Schau zu stellen. Was damit einhergehen muss, ist eine Anpassung des Kompetenzbereichs: Darf man beispielsweise normalerweise Projekte bis 10 000 Franken ohne Zusage der Chefin absegnen, könnten es während der Ferien bis 100 000 Franken sein. Kommen tatsächlich während der Abwesenheit Anfragen auf, die diese Limite überschreiten, oder ist eines der erwähnten Projekte betroffen, dann ist ein Anruf gerechtfertigt. Bei allem anderen übernimmt die Stellvertretung.