Sie war noch nie unzimperlich, eckte während ihrer Karriere immer wieder an. Auch jüngst: «Es macht mich wütend, wenn ich junge Skirennfahrerinnen sehe, die hochkommen und sich nicht qualifizieren und einem das Gefühl geben, es sei okay.» Lara Gut-Behrami redete sich diese Woche beim FIS-Race-Talk in Sölden (A) regelrecht in Rage.

Die 34-jährige Ski-Ikone vermisst den Biss bei der jungen Generation. «Heute ist es wichtig, in den sozialen Medien ein freundliches Gesicht zu zeigen und von allen gemocht zu werden», kritisiert sie. Früher hätten Athletinnen wie Anja Pärson oder Tina Maze ihre wahren Emotionen gezeigt. «Es war okay, wütend zu sein. Wir arbeiten, um Rennen zu gewinnen – nicht, um Zehnte zu werden.»

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Das Bild spiegelt sich auch in der Wirtschaft

Was Gut-Behrami auf der Skipiste nervt, lässt sich eins zu eins auf Schweizer Büros übertragen. Wir haben uns eine neue Vorstellung von guter Führung zurechtgelegt. Der ideale Chef ist verständnisvoll, empathisch, gibt viel Feedback – aber bitte immer nett verpackt. Das Problem? Diese Chefs nerven niemanden. Aber sie fordern auch niemanden.

Die unbequeme Wahrheit: Menschen wachsen nicht in der Komfortzone. Sie wachsen, wenn jemand ihnen zutraut, mehr zu leisten. Wenn jemand klar sagt: «Das hier ist noch nicht gut genug – ich weiss, dass du es besser kannst.» Das ist nicht gemein. Das ist Respekt.

Gut-Behrami bringt noch einen anderen Punkt auf den Tisch. Wer Spitzenleistung will, muss dafür trainieren. Täglich. «Ich stehe nicht am Morgen auf, um Fünfundzwanzigste zu werden», sagt sie. Kein Profisportler käme auf die Idee, nur drei Tage die Woche zu trainieren und dann trotzdem aufs Podest zu wollen. Das ist Wunschdenken – und funktioniert auch in der Wirtschaft nicht.

Steile Karriere mit Teilzeit, Homeoffice und Goodies

Eine steile Karriere mit Teilzeitarbeit, Homeoffice nach Belieben und bitte trotzdem Spitzenleistung? Die Schweizer Wirtschaft räumt gerade mit diesem Märchen auf. Wenn Philipp Navratil bei Nestlé Klartext redet und «schonungslose Leistungsbeurteilung» ankündigt, dann ist das keine Rückkehr zu autoritärer Führung. Es ist die Erkenntnis, dass Fokus und Effort einen Unterschied machen. Dass nicht alle den gleichen Beitrag leisten – und dass es an der Zeit ist, die Masse, die den Karren zieht, auch zu honorieren.

Die Beispiele zeigen, dass Firmen, die den Mut haben, unbequeme Wahrheiten auszusprechen und Leistung einzufordern, besser fahren. Sulzer unter Suzanne Thoma hat Umsatz und Marge gesteigert. Bei Partners Group herrscht eine Vollgasmentalität: Fast alle arbeiten 100 Prozent, was das Unternehmen auch entsprechend belohnt. Wer es schafft, zur Höchstleistung anzuspornen, kann auf loyale Teams zählen. Das zeigt sich bei Sulzer: Die Fluktuationsrate des Personals sank trotz Leistungsdruck. Weil die Menschen spüren, dass sie hier wirklich mitreden können und dass ihre Arbeit einen Mehrwert generiert.

Im Sport sind die guten Trainer meist nicht die nettesten. So ist es auch in der Arbeitswelt. Gut-Berahmi hat das verstanden, viele CEOs und Trainer ebenso: Wer gewinnen will, muss bereit sein, dafür zu schwitzen.