Herr Heller, die Märkte haben sich im Sommer deutlich erholt. Kaufen, wenn die Stimmung am Boden liegt, hätte sich wieder einmal als richtig erwiesen.
Das stimmt. Es war schon sehr viel Negatives in den Kursen enthalten, eine Erholung war absehbar. Wie stark sie ausfiel, hat mich aber überrascht.

Sind die Investoren nun schon wieder zu optimistisch?
Die Stimmungsindikatoren haben sich erheblich verbessert. So ist etwa die Put/Call Ratio oder die Volatilität deutlich zurückgekommen. Diese Kennzahlen sind kurzfristig ein Kontraindikator, sie sprechen nicht unbedingt für die Aktienmärkte.In den Kursen ist nichts Negatives eingepreist – keine mögliche Rezession, keine stärkere geldpolitische Straffung, keine Verschärfung der geopolitischen Spannungen. Auf so einem Niveau ist die Luft dünner.

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Warum reagieren die Märkte auf Nachrichten über zweistellige Inflationsraten, wie sie zuletzt aus Grossbritannien kamen, so gelassen?
Man hat sich an die Inflation gewöhnt und hofft, dass die grössten Teuerungsschübe hinter uns liegen. In den USA haben wir den Peak wohl gesehen. Die Rohstoffpreise sinken, und die Basiseffekte wirken. Im Sommer des Vorjahres stiegen die Preise bereits stark. In Europa ist die Lage schwieriger. Es ist unklar, wie weit das teure russische Gas auf die Preise durchschlägt.
Locken Sie die Bewertungen?
Das taten sie ansatzweise. Nun liegen wir bereits wieder auf dem historischen Durchschnitt.

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Zudem steigen die KGVs weiter, wenn die Gewinne fallen. Wie gross ist das Risiko angesichts der Rezessionsgefahr?
Da die Rohstoffpreise sinken, besteht die Hoffnung, dass die Margen nicht einbrechen. Die Ausblicke der Unternehmen waren vorsichtig, aber mehrheitlich nicht negativ.

 

Sollte man derzeit in Aktien investieren?
Für den mittel- bis langfristig investierenden Anleger besteht kein Handlungsbedarf.

Welche Börsen könnten sich denn bis zum Jahresende am besten schlagen?
Trotz den höheren Bewertungen dürften es wieder die US-Börsen sein.

Der US-Markt ist technologielastig. Belasten hier nicht die steigenden Zinsen?
Ich denke nicht, dass die Zinsen in den USA am langen Ende viel höher gehen. Langfristig bleibt Technologie einer der strukturellen Wachstumstreiber.

Wie steht die Schweiz da?
Sie wäre von einer starken Wachstumsverlangsamung in Europa sicher stark betroffen. Die Firmen sind aber im Schnitt solide und finanziell gut aufgestellt. Insgesamt ist der Anleger mit Schweizer Aktien nicht schlecht beraten. 

Erich Gerbl
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