Die Geschäftsidee?
Ärztinnen und Ärzte verbringen bis zu 30 Prozent ihrer Arbeitszeit mit administrativen Aufgaben. Saipient hat mit «Isaac» eine Lösung entwickelt, die mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) die administrativen Tätigkeiten unterstützt, zum Beispiel bei Analysen der Patientenhistorie, beim Erstellen von Berichten und bei den Abrechnungen. Isaac kann die Zeit für administrative Aufgaben um bis zu 75 Prozent reduzieren, sodass Ärztinnen und Ärzte mehr Zeit für ihre Patientinnen und Patienten gewinnen.
Wie ist sie entstanden?
Die Idee geht auf den Arzt Robert Dahmen zurück, der die steigende Bürokratie im Gesundheitswesen aus erster Hand erlebt. Inspiriert durch seine Erfahrungen mit KI, entwickelte er die Vision eines digitalen Assistenten, der Verwaltungsaufgaben übernimmt und so Ärzte entlastet.
Warum der Name?
«Saipient» ist ein Kunstwort, das sich aus dem lateinischen Begriff sapiens (weise oder klug) und AI (Artificial Intelligence) zusammensetzt. Der Name steht für die Verbindung von menschlicher Expertise und KI, die das Unternehmen prägt.
Website: saipient.ch
Gegründet: Juni 2024
Gründer: Fabrice Gürmann (30), Managing Director Business Development; Daniel Gasteiger (52), Managing Director Operations; Robert Dahmen (36), Chief Medical Advisor; Giorgio Zinetti (37), Chief Technology Advisor
Firmensitz: Zürich
Mitarbeiter: 8
Umsatzziel für 2025: >500’000 Fr.
Profitabel: ab Q1 2026
Woher stammt das Startkapital?
Von den vier Gründern sowie vier Angel-Investoren aus dem Gesundheitswesen.
Womit erzielen Sie die Umsätze?
Saipient setzt auf ein Software-as-a-Service-Modell. Kunden zahlen eine monatliche Gebühr für Isaac, wobei sie aus verschiedenen Funktionspaketen wählen können.
Die Vision?
In der ersten Phase steht die Automatisierung administrativer Prozesse im Fokus. In Zukunft soll Isaac auch Diagnoseunterstützung bieten, etwa durch KI-gestützte Bildanalysen zur Erkennung von Hautkrebs via Smartphone-Kamera.
Was sagen Experten zu Robonnement?
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Die grosse Stärke?
Im Gesundheitswesen sind Vertrauen und Sicherheit essenziell. Saipient punktet mit einem erfahrenen Gründerteam, das Fachwissen aus Medizin, KI und Unternehmertum vereint.
Die grösste Herausforderung?
Der Softwaremarkt im Schweizer Gesundheitswesen ist stark fragmentiert. Viele Kliniken und Praxen setzen auf Patientenmanagementsysteme, die beschränkt weiterentwickelt werden. Dadurch fehlen häufig standardisierte und nutzerfreundliche Schnittstellen, um neue Lösungen wie unsere effizient zu integrieren.
Der bisher grösste Erfolg?
Ein Meilenstein war der Vertragsabschluss mit einer Westschweizer Spitalgruppe, die Isaac flächendeckend einsetzen wird. Noch wichtiger ist jedoch der tägliche Zeitgewinn von ein bis zwei Stunden pro Arzt.
Das Überraschendste bisher?
Obwohl KI im Gesundheitswesen noch in den Kinderschuhen steckt, sind Ärztinnen und Ärzte sofort von unserem Ansatz überzeugt, sobald sie den konkreten Nutzen in einer kurzen Demonstration erleben. Ihre Offenheit für Innovation – auch bei neuen Technologien – hat uns sehr positiv überrascht und bestätigt uns, mit Isaac ein wichtiges Thema zu adressieren.
Der nächste Schritt?
Neben dem weiteren Ausbau unserer Präsenz in der Schweiz setzen wir auf strategische Partnerschaften, um Isaac in Deutschland zu etablieren. Dafür führen wir bereits Gespräche mit verschiedenen Dienstleistern und planen den Markteintritt für die zweite Jahreshälfte 2025.
Expertenmeinung
«Viele gleiche Anbieter»
«Saipient agiert in einem konservativen, regulierten Markt. Im Healthcare-Bereich ist es sehr schwer, die Leute von Innovationen zu überzeugen, im Expansionsziel Deutschland erst recht. Die Hauptfunktion ist die Umwandlung von Patientengesprächen in Texte, die an die Adressaten – Krankenkasse, Hausarzt, Patient – angepasst wird, was dem Arzt viel Zeit spart. Es gibt jedoch viele Anbieter, die sich gleich positionieren. Saipient hat derzeit nur eine Stand-alone-Lösung, die nicht in Spitalsysteme integriert ist. Ihr Einsatz ist deshalb momentan nur für kleine Praxen sinnvoll. Die Abschlüsse in diesem Markt sind oft nicht kostentragend und zeitaufwendig. Skalierung ist dort nur mittels Partnern möglich. Der Businessplan ist ambitiös. Der angestrebte Verkaufspreis wird wohl unter Druck kommen. Das Team hat eine gute Kombination von ärztlichem, technischem und unternehmerischem Know-how. Will es Erfolg haben, sind Fokus und Speed bei der Umsetzung existenziell. Saipient sollte daher Partnerschaften mit etablierten Healthcare-Anbietern suchen und sich auf die Kernfunktionalität fokussieren. Und jetzt Risikokapital einsammeln, statt zu bootstrappen.»
Ariel Lüdi investiert mit seinem Hammer Team in B2B-Start-ups.
«Go big or go home»
«Der Gesundheitsmarkt ist sehr attraktiv, wenn man bedenkt, wie viel Geld und Zeit dort ins Backoffice fliesst. Alle inklusive der Ärzte verbringen viel zu viel Zeit mit Bürokratie – das meiste davon kann man mit KI inzwischen automatisieren. Entsprechend hoch sind Interesse und Zahlungsbereitschaft für KI-Lösungen. In den USA, wo wir investieren, wurde das bereits erkannt, und auch in Europa entstehen zunehmend Lösungen – sowohl durch Start-ups als auch durch Kooperationen wie etwa zwischen Microsoft und dem Kantonsspital Luzern. Gewinnen wird, wer am schnellsten unterwegs ist und dadurch am meisten Daten sammelt, um damit die besten KI-Modelle bauen zu können. Saipient hat schon ein breites Produkt und eine gewisse Traction bei Schweizer Kunden, aber ohne aggressive, europaweite Wachstumsambitionen ist es schwer, zu gewinnen. Sorgen macht mir der Fokus auf die kleine Schweiz, auch dass der CTO nicht fulltime arbeitet, dass die Entwicklung outgesourct ist und dass die Firma bootstrappt, statt sich mit Venture Capital zu finanzieren. Das ist mir zu wenig ambitioniert, um am Markt langfristig zu gewinnen. In einem «Winner takes most»-Markt muss sich Saipient entscheiden: Go big or go home!»
Pascal Unger ist Managing Partner bei der VC-Firma Darling Ventures in San Francisco und Miami.