Ökologisch, sozial, transparent. Mit diesen Attributen beschreibt sich die Alternative Bank Schweiz (ABS) auf ihrer Webseite. Laut eigenen Angaben verzichtet sie auf Gewinnmaximierung und stellt die Ethik im Geschäft stets in den Vordergrund.

Auch in einer weiteren Eigenschaft ist die ABS speziell. Seit Anfang Jahr belastet sie als einziges Institut in der Schweiz auch Retailkunden mit Negativzinsen. Damit gibt die ABS eine interessante Fallstudie ab: Was passiert, wenn nicht nur Grossinvestoren, sondern auch Kleinkunden plötzlich mit einem Strafzins konfrontiert sind?

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Zinsen im Umfang eines Jahresgewinns

Bevor wir die Frage beantworten, zunächst ein Blick in die Bilanz der Bank. Sie zeigt, warum die ABS speziell von den Negativzinsen betroffen ist. Im Jahresbericht 2014 finden sich folgende Eckdaten:

  • Totale Verpflichtungen: 1586 Millionen Franken. Davon gegenüber den Kunden: 1104 Millionen Franken in Spar- und Anlageform, 221 Millionen Franken in Form von Kassenobligationen, 136 Millionen Franken in sonstiger Form.
  • Totale Vermögenswerte: ebenfalls 1586 Millionen Franken. Davon 913 Millionen Franken in Form von Hypotheken, 268 Millionen Franken in Form von Finanzanlagen, 259 Millionen Franken in Form von flüssigen Mitteln.
  • Jahresgewinn: 1,1 Millionen Franken.

Das Problem aus Sicht der ABS sind die 259 Millionen Franken an flüssigen Mitteln. Sie lagern grossmehrheitlich auf dem Konto der ABS bei der Nationalbank. Diese erhebt seit 2015 jedoch einen Negativzins von 0,75 Prozent – ab einem gewissen Freibetrag. Was bei der ABS Kosten in der Grössenordnung eines Jahresgewinns verursacht, wie die Führung in einem Interview sagte.

Dividiert man den Jahresgewinn (1,1 Millionen Franken) durch den Negativzinssatz (0,75 Prozent), so zeigt sich: Die Öko-Bank hatte per Ende 2014 aufgrund ihrer Bilanzstruktur (verhältnismässig wenig Hypotheken und viel Liquidität) einen Klotz von geschätzten 150 Millionen Franken an überschüssigem Cash am Bein, der nun mit Negativzinsen belastet wird.

Was Kunden mit dem Geld machten

Ähnlich wie andere Banken hat die ABS zuletzt ihre Kontogebühren erhöht, von 12 auf 36 Franken pro Jahr (was vergleichsweise immer noch niedrig ist). Zusätzlich hat das Institut seinerseits Negativzinsen eingeführt: Auf dem Lohnkonto müssen Kunden per Anfang Jahr ab dem ersten Franken einen Zins von 0,125 Prozent zahlen. Auf allen Kontos für Privatkunden wird ab 100 000 Franken ein Zins von 0,75 Prozent fällig.

Laut dem Leiter des Anlage- und Privatkundengeschäfts der ABS, Michael Diaz, hatte die Massnahme unterschiedliche, teils gegenläufige Auswirkungen. Einerseits zog ein Teil der Kunden ihr Geld ab – was angesichts der Belastung auch zu erwarten war. Andererseits stiessen neue Kunden zur Bank hinzu. Diese Kunden hatten die ABS aufgrund der Ankündigung neu entdeckt.

Übers ganze Jahr verzeichnet die Bank eine Zunahme von Kundengeldern. Unter dem Strich nahmen die Kontoeinlagen im letzten Quartal 2015 aber um rund 80 Millionen Franken ab.

  • Rund ein Drittel des Geldes ging ganz weg: Kunden brachten es entweder zu anderen Banken oder hoben es ab, um eine grössere Anschaffung zu tätigen – beispielsweise, um eine Immobilie zu finanzieren.
  • Rund ein weiteres Drittel wurde in Kassenobligationen oder ABS-Aktien umgeschichtet. Das bedeutet: Das Geld steht der Bank längerfristig oder sogar als Eigenmittel zur Verfügung. Beides bringt Vorteile, wenn die Bank Kredite vergibt.
  • Ein weiteres Drittel floss ins Anlagegeschäft der ABS, welches «ausschliesslich nachhaltig und wirkungsorientiert ausgerichtet ist», wie die Bank sagt.

Aus der Not eine Tugend gemacht

Die Geldabflüsse und Umschichtungen bedeuten für die ABS, den Anteil der Gelder deutlich reduzieren konnte, der über der Freigrenze der SNB liegt und somit vom SNB-Negativzins betroffen ist. Nur ein Teil kleiner Teil des Geldes ging aus Sicht der ABS ganz «verloren» – das ist der Nachteil für die Bank. Er hält sich allerdings in Grenzen, weil die Bank mit diesen Geldern ohnehin nicht viel anfangen konnte. Ein willkommener Nebeneffekt ist die Stärkung der Eigenmittelsituation.

Mit dem anderen Teil kann die Bank neuerdings wirtschaften. Um weitere Kunden zu einer Reduktion ihres Cash-Bestandes zu bewegen, senkt die ABS nun die Schwelle für ein Vermögensverwaltungsmandat: Neu können Kunden statt ab 200 0000 Franken schon ab 50 000 Franken eine sozial und ökologisch ausgerichtet Vermögensverwaltung beanspruchen.

Nutzen und Risiken der Negativzinsen

Das Fallbeispiel der ABS lässt sich nicht tel quel auf andere Banken übertragen. Ihr Profil ist speziell. Trotzdem macht es deutlich, dass sich Privatkunden hinsichtlich der Negativzinsen nicht grundsätzlich von professionellen Investoren unterscheiden: Sie optimieren ihre Vermögensverteilung und passen diese den neuen Bedingungen an.

So lösen die Tiefzinsen einerseits produktive Geldflüsse aus. Nutzloses Bargeld wandert in den Finanzmarkt oder in die Realwirtschaft. Kauft ein Bankkunde mit seinen Schweizer Franken ausländische Wertpapiere, so nimmt dies zusätzlich auch Druck vom Schweizer Franken – was zurzeit im Interesse der Volkswirtschaft ist.

Andererseits entstehen Risiken. Privatleute können versucht sein, zu viel Geld in den Finanzmarkt zu stecken. Würden Negativzinsen auf breiter Front auch an Private überwälzt, nähme somit auch die Gefahr von Finanzblasen zu – etwa auf dem Aktien- oder Immobilienmarkt. Eine weitere Gefahr ist die Flucht in physisches Bargeld.

Angenommen, wir alle müssten auf unserem Bankkonto neu Negativzinsen bezahlen: Würde der Nutzen oder die Risiken überwiegen? Der Fall ABS legt nahe: Die Antwort ist wohl weniger eindeutig, als man auf Anhieb denkt.