2022 war aus politischer und wirtschaftlicher Sicht ein Jahr mit tiefgreifenden Veränderungen und Umbrüchen. Grosszügige Staatsausgaben, gepaart mit einer ungewöhnlich lockeren Geldpolitik, trieben die Inflation auf Vierzig-Jahres-Höchststände. Russlands Invasion in die Ukraine führte zu erheblichen Versorgungsengpässen von Energieträgern, was den Preisauftrieb noch weiter verstärkte.

Als Reaktion darauf verschärften die Zentralbanken, angeführt von der US-Notenbank Federal Reserve, ihre Geldpolitik aggressiv und verursachten einen Jahrhundert-Crash auf den Obligationenmärkten. Eine hohe Inflation, die stark gestiegenen Zinsen und die Aussicht auf eine bevorstehende Rezession trugen zudem zu teils erheblichen Verlusten an den Aktienmärkten bei.  

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Wie ist die Perspektive für 2023 und die kommenden Jahre? Das konjunkturelle Umfeld bleibt in den Industrieländern vorerst schwierig. Denn der Inflations- und Zinsschock beginnt in vielen Bereichen der Wirtschaft seine Wirkung zu entfalten. Konsumenten und Konsumentinnen leiden unter der schwindenden Kaufkraft ihres Einkommens. Die Industrie ächzt unter hohen Energiekosten und steigenden Löhnen. Und dem Wohnimmobiliensektor steht aufgrund der stark gestiegenen Finanzierungskosten eine entscheidende Korrektur bevor.

Wankende Gewinne

Das weltweite Wirtschaftswachstum wird sich deshalb nochmals erheblich verlangsamen. Europa und womöglich auch die USA werden in eine Rezession fallen. Für Unternehmensgewinne und Gewinnmargen verheisst das nichts Gutes. Ein Risiko für Aktien besteht darin, dass die Konsenserwartungen eines Gewinnwachstums von 3 Prozent für 2023 derzeit zu hoch sind. Wir gehen davon aus, dass bei einer moderaten Rezession die Gewinne gegenüber dem Höchststand um etwa 10 bis 20 Prozent zurückgehen können, wie es in den 1990er oder frühen 2000er Jahren der Fall war.

Mit einem Kursrückgang von 10 Prozent für globale Aktien in den letzten zwölf Monaten hat der Markt bereits schlechtere Nachrichten einkalkuliert, als die Konsensgewinnprognosen vermuten lassen. Auch wenn Aktien die Talsohle möglicherweise noch nicht erreicht haben, hat sich das Risiko-Ertrags-Verhältnis für sie im Jahr 2023 angesichts der Rückgänge im Jahr 2022 verbessert. 

Über den Autor

Tilmann Galler ist globaler Kapitalmarktstratege für Deutschland, Österreich und die Schweiz bei J.P. Morgan Asset Management.

Noch besser ist der Ausblick für den Obligationenmarkt. Der Kursrückgang von in der Spitze 18 Prozent hat die Renditen von Staatsanleihen auf das höchste Niveau seit zwölf Jahren katapultiert. Die zehnjährigen Nominalrenditen liegen damit wieder deutlich über den langfristigen Inflationserwartungen, wodurch Obligationen wieder besser in der Lage sein sollten, den realen Kapitalerhalt sicherzustellen.

Beste Perspektive für Portfolio-Aufbau

Im neuen Jahr dürften sich die weitere Inflationsentwicklung und die Zinspolitik der Zentralbanken letztendlich als Rückenwind für die Obligationenmärkte entpuppen. Wir erwarten in den USA und in Europa einen deutlichen Rückgang der aktuellen Inflationsrate aufgrund der einsetzenden wirtschaftlichen Schwäche und der Auflösung bestehender Angebotsengpässe. Das gibt den Zentralbanken den Spielraum, um den Zinserhöhungszyklus im April oder Mai zu beenden. 

An den Obligationenmärkten dürfte die weniger restriktive Geldpolitik zu fallenden Renditen führen, wodurch Obligationen nicht nur vom höheren Renditeniveau profitieren, sondern auch von Kursgewinnen. Noch attraktiver sehen die Ertragsperspektiven bei Unternehmensanleihen hoher Bonität aus. Die aktuellen Risikoaufschläge zwischen 1,3 Prozent und 1,7 Prozent gegenüber Staatsanleihen sind nach unserer Einschätzung eine angemessene Kompensation für das relative geringe Ausfallrisiko selbst in einer Rezession.

Die Neubewertung der Obligationen im letzten Jahr war brutal, aber notwendig. Nun sind die Möglichkeiten, diversifizierte Portfolios aufzubauen, so gut wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Die Ertragsperspektiven für Mischfonds hat sich im Vergleich zum Vorjahr trotz des kurzfristig eingetrübten Konjunkturausblicks erheblich verbessert.