Das Muster der aktuellen Silberpreis-Rally entspricht dem der Kurstubelenzen bei den Gamestop-Aktien: Mit konzertierten Käufen treiben Kleinanleger den Preis und zwingen andere Investoren, ihre Wetten auf einen Kursverfall aufzulösen. Dies befeuert den Anstieg zusätzlich.

Während der Hype um die Aktien des Videospielhändlers Gamestop zu Wochenbeginn nachliess, entwickelte sich ein Edelmetall verstärkt zum Spekulationsobjekt am Finanzmarkt. Am Montagvormittag stieg die Notierung für eine Feinunze (31,1 Gramm) Silber erstmals seit Anfang 2013 über die Marke von 30 US-Dollar.

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Der starke Preisanstieg setzte bereits am vergangenen Donnerstag ein und hat mittlerweile ein Ausmass von etwa 15 Prozent erreicht. Wie zuvor bei den heiss gehandelten Aktien angeschlagener Firmen wie Gamestop oder der Kinokette AMC führen Marktbeobachter die Kursrally massgeblich auf konzertierte Käufe von Privatanlegern zurück, die sich in Internetforen organisieren.

«Die Tatsache, dass ein so grosser und liquider Markt von Kleinanlegern aufs Korn genommen werden kann, sagt viel über die Verschiebungen aus, die wir beobachten», sagt Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com.

Die Spuren führen zu Reddit

Ausgangspunkt der Silber-Rally ist Händlern zufolge ähnlich wie bei den jüngsten Kurssprüngen beim US-Videospielehändler Gamestop ein Anlegerforum der Internet-Plattform Reddit. Dort riefen Nutzer dazu auf, Aktien von Silberminen-Betreibern und börsennotierte Silber-Fonds (ETFs) zu kaufen.

Der weltgrösste Silber-ETF stieg daraufhin im vorbörslichen US-Geschäft am Montag um fast zwölf Prozent auf ein Acht-Jahres-Hoch von 27,71 Dollar und stand vor dem zweitgrössten Tagesgewinn seiner Geschichte.

Bergbaubetreiber wie Fortuna Silver , Coeur oder Pan American Silver gewannen vorbörslich teilweise mehr als 20 Prozent. Ähnliche Kursgewinne verbuchte Fresnillo in London. Silber war mit 30,03 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) so teuer wie zuletzt vor acht Jahren.

Am Freitag setzten die Käufe ein

Bereits am Freitag waren die Edelmetall-Bestände der Silber-ETFs weltweit um insgesamt vier Prozent auf ein Rekordhoch von 28.382 Tonnen gestiegen. Das war das grösste Plus seit fast zehn Jahren.

Im Gegensatz zur Gamestop-Rally hätten einige Gross-Investoren den Braten aber wohl gerochen und seien frühzeitig in den Markt eingestiegen, um den Höhenflug zu befeuern, sagt Markets.com-Experte Wilson weiter.

Ein weiterer Unterschied ist, dass die Wetten auf einen Verfall des Silberpreises meist nicht von Hedgefonds, sondern von «Commercial Traders» abgeschlossen werden. Darunter fallen vor allem Minen-Betreiber und Edelmetall-Verarbeiter.

Trader in der Bredouille

Fallen die Rohstoffpreise, gleichen diese Wetten ihre Mindereinnahmen idealerweise aus. Diese «Commercial Traders» seien von der Silber-Rally auf falschem Fuss erwischt worden, sagt Carlo Alberto De Casa, Chef-Analyst des Brokerhauses ActivTrades.

Sie müssten ihre Wetten nun überhastet auflösen, weil ihnen sonst massive Verluste drohten. Finanzanleger wie etwa Hedgefonds hätten dagegen bereits vor Beginn der aktuellen Rally unter dem Strich eher auf steigende Kurse gesetzt, gibt Commerzbank-Analyst Eugen Weinberg zu Bedenken.

Unerwünschte Nebenwirkungen

Gemeinsam sind den Gamestop- und den Silber-Kurskapriolen, dass sie einen weltweiten Börsen-Ausverkauf auslösen können. «Denn in Schieflage geratene Hedgefonds müssen auch andere Positionen verkaufen, um Liquidität zu beschaffen, und reihen sich damit zusätzlich in die Verkäufe ein», sagt Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank.

Ein Teil der jüngsten Verluste bei Dax , Dow Jones & Co. gehe auf dieses Konto. ActivTrades-Experte De Casa weist auf ein weiteres Risiko hin.

Ein sprichwörtlicher Silberstreif

«Ein erfolgreicher Angriff auf den Rohstoff-Sektor könnte eine Intervention der Notenbanken auslösen, um eine gefährliche Inflationsspirale zu verhindern. Silber hat sich binnen vier Tagen um etwa 20 Prozent verteuert. Das ist ein enormer Zuwachs in der Rohstoff-Welt», sagt De Casa.

Commerzbank-Experte Weinberg sieht aber auch einen Silberstreif am Horizont. Mittelfristig könne die aktuelle Rally Silber als Anlagemetall stärker ins Blickfeld der Investoren rücken.

(reuters/awp/mbü/mlo)