Seit Jahresbeginn hat der Euro zum Dollar um mehr als 15 Prozent aufgewertet – von weniger als 1,04 Dollar in der ersten Januar-Woche auf über 1,20 Dollar am Dienstag. Damit hat der Euro diese Marke erstmals seit 2015 überschritten.  Auch zum Franken legt der Euro weiter zu, auf zuletzt 1,14 Franken. Dabei hatten zum Jahresbeginn viele Börsianer einen Euro/Dollar-Kurs von 1:1 auf dem Radar. Was steckt hinter dem Anstieg? Im Folgenden ein Überblick:

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Warum steigt der Euro?

Nach der jüngsten Ratssitzung der EZB hatte Notenbankchef Mario Draghi angekündigt, im Herbst über die Anleihenkäufe beraten zu wollen. An den Märkten wurde dies als Signal verstanden, das bislang auf ein Volumen von 2,28 Billionen Euro angelegte Programm auslaufen zu lassen.

War der Euro vor Kurzem nicht noch auf Talfahrt?

Ja. Denn bis zu den Präsidentschaftswahlen in Frankreich im Frühjahr hatten viele Anleger einen Sieg der Euro-Gegner befürchtet. Doch dann zog Emmanuel Macron - ein ausgesprochener Befürworter der gemeinsamen Währung - in den Elysee-Palast ein: «Der bei einer Wahl Marine Le Pens befürchtete rasche Niedergang und das teils ausgerufene Auseinanderbrechen des Euro fällt damit vorerst aus«, so die DZ Bank. Laut Devisenhändlern verstärkte dies die Euro-Käufe.

Welche Rolle spielt Donald Trumps Politik?

Die Wahl des Immobilien-Milliardärs zum US-Präsidenten hatte zunächst Spekulationen auf steigende Inflationsraten in den USA ausgelöst, da Trump ein riesiges Konjunkturprogramm und radikale Steuersenkungen versprochen hat. Dies hatte Anfang des Jahres den Euro auf ein 14-Jahres-Tief von unter 1,04 Dollar gedrückt. Doch bislang wurde daraus nichts, da der Republikaner innenpolitisch unter anderem aufgrund der Russland-Affäre stark unter Druck steht.

Zudem ist sich Trump mit dem von seiner eigenen Partei dominierten US-Kongress nicht einig: Für den geplanten Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko will er einen Regierungsstillstand in Kauf nehmen. «Der Konflikt, den Trump mit dem Kongress hat, wird verschärft und es stellt sich erneut die Frage nach der Handlungsfähigkeit der US-Regierung«, fasst Helaba-Analyst Ulrich Wortberg zusammen. Wenn die US-Schuldenobergrenze im Herbst nicht angehoben wird, können Haushaltsmittel für Gehälter der Staatsbediensteten oder die Auszahlung von Anleihezinsen nicht mehr freigegeben werden.

Zudem fürchten Anleger, dass die Folge des Wirbelsturms «Harvey« die Konjunktur der USA schwächen und damit die Straffung der US-Geldpolitik zusätzlich verzögern könnte.

Was ist so schlimm an einem hohen Euro-Kurs?

Für Exporteure verschlechtern sich die Wettbewerbschancen, da ihre Waren auf dem Weltmarkt teurer werden. Allerdings sichern sich Konzerne meist gegen solche Entwicklungen ab. Erst wenn der Trend nachhaltig dreht oder drastisch ausschlägt, sind Unternehmen wirklich unter Druck – wie beispielsweise beim Pfund Sterling nach der Brexit-Abstimmung. Ausserdem bremst ein hoher Wechselkurs über die in Dollar fakturierte Ölrechnung die Inflation und erhöht das Risiko einer Deflation, einer Spirale aus fallenden Preisen und rückläufigen Investitionen. Das Ziel der EZB ist aber eine Teuerung von knapp zwei Prozent - ein Ziel, dass sie nach Einschätzung von Beobachtern noch einige Jahre lang verfehlen wird.

Und was machen die Hüter des Euro nun?

Sie halten still – das zumindest ist der Eindruck vieler Börsianer nach dem traditionellen Notenbank-Gipfel in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming am vorigen Wochenende. Mario Draghi verzichtete darauf, sich zum Wechselkurs zu äussern, was Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann für bemerkenswert hält. Schon im Juli sei sein Schweigen als Kaufsignal verstanden worden und habe den Euro hochgetrieben. «Draghi muss diesmal also sehr genau gewusst haben, dass jede Gelegenheit, an der er nichts zur gegenwärtigen Euro-Stärke sagt, diese weiter befeuert.» Vermutlich halte Draghi die Pressekonferenz nach der September-Sitzung in der nächsten Woche für den passenderen Rahmen, um sich zum Euro zu äussern.

(reuters/me)