Zum grössten Ausverkauf im Bankensektor seit fast drei Jahren ist es am Donnerstag an der Wall Street gekommen. Am Freitag hat die Panik dann auch auf die Banken in Europa übergegriffen – auch auf die hiesigen Institute. Die Private-Equity-Gesellschaft Partners Group büsste fast sechs Prozent ein. Die Grossbank Credit Suisse sank 4,8 Prozent, nachdem die Titel vorübergehend ein neues Rekordtief markiert hatten. Fast gleich viel verlor die UBS an Wert.

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Weil die Anlegerschaft Finanzwerte aus ihren Depots warf, ist die Schweizer Börse am Freitag auf den höchsten Tagesverlust seit fast drei Monaten zugesteuert. Der SMI verlor bis kurz vor Handelsschluss 1,8 Prozent. Der als «Angstbarometer» geltende Volatilitätsindex kletterte um 18 Prozent.

Auch der europäische Bankenindex rutschte stark ab. In Paris fiel Société Genéralé fast fünf Prozent ins Minus, BNP Paribas gab knapp 4 Prozent nach. Barclays rutschte in London um 3 Prozent ab, Santander in Madrid um 4,3 Prozent. Auch deutsche Institute verloren deutlich. Die grösste Verliererin war die Deutsche Bank, die am Nachmittag deutlich über 7 Prozent nachgab.

Auslöser war die Sorge um die Gesundheit der kalifornischen Bank Silicon Valley Bank (SVB), die zur Abfederung von Verlusten aus dem Portfolio eine Milliardenkapitalerhöhung benötigt. Dies schürte die Sorge, dass die steigenden Zinsen die Bankbilanzen auf breiterer Front erodieren könnten. 

Bankindex fällt deutlich

Die Silicon Valley Bank hat sich auf Startup-Kredite spezialisiert. Da Kunden massiv Einlagen abzogen, um sie höher verzinslich zu anderen Banken zu bringen oder am Kapitalmarkt zu investieren, war die Silicon Valley Bank gezwungen, Wertpapiere zu verkaufen, um die Abflüsse zu finanzieren. Die Bank verlor rund 1,8 Milliarden Dollar, weil die Bonds wegen der gestiegenen US-Zinsen an Wert verloren hatten.

Infolgedessen kündigte die kalifornische Bank eine Kapitalerhöhung im Volumen von 2,25 Milliarden Dollar an. Die SVB-Aktie sackte um 60 Prozent ab, weshalb der Titel kurzfristig ausgesetzt wurde.

Noch dramatischer ist die Lage bei der Kryptobank Silvergate Capital. Sie hat gleich ganz dichtgemacht. Bei Silvergate begannen die Abflüsse bereits Ende vergangenen Jahres als Reaktion auf die Pleite der Kryptoplattform FTX. Auch Silvergate musste massiv Wertpapierbestände auf den Markt werfen, um Kundinnen und Kunden ihre Einlagen auszahlen zu können.  

Investoren sorgen sich nun, dass die Zinswende den gesamten Bankensektor in Probleme bringen kann. Der KBW-Bankenindex fiel um 7,7 Prozent und damit so stark wie seit Juni 2020 nicht mehr. Auch die Wall-Street-Grössen Bank of America, Wells Fargo und JPMorgan Chase gaben um mindestens 5 Prozent nach.

In der Schweiz hatten die Aktien der UBS und der Credit Suisse im Morgenhandel bereits um je rund 5 Prozent nachgegeben.

Finanzaktien sind Renditekiller

Finanztitel machen arm. Sie zerhauen die Rendite. Aber es gibt Ausnahmen, allen voran in der Westschweiz und im Norden Europas.

Zinswende belastet die Banktitel

Die Probleme von Silvergate und SVB werfen ein Schlaglicht auf die Gefahren, die die Zinswende der Zentralbanken für den Bankensektor bereithält. Investoren hatten nicht nur in den USA, sondern auch in Europa vor allem darauf gesetzt, dass steigende Zinsen steigende Erträge bedeuten, und massiv in Bankaktien investiert. 

Nun zeigt sich die Kehrseite der geldpolitischen Straffung: Kundinnen und Kunden, welche die Bank wechseln, um mehr für ihr Geld zu erhalten, und so die Banken zwingen, Marktwertverluste auf Wertpapiere zu realisieren, um die Abflüsse von Kundengeldern zu finanzieren.  

Es droht Schlimmeres

Konnte Silvergate noch als von der Kryptokrise induzierter Spezialfall gelten, sieht das bei der Silicon Valley Bank anders aus, sagt Analyst Gary Tenner von DA Davidson in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg. «Ist das der Damm, der gebrochen ist, wenn es um die Kapitalbeschaffung weiterer Banken geht? Wird es noch mehr geben?»

Überall in der Investmentwelt dominiere die Frage: «Wer ist der Nächste?», so Jens Nordvig, Gründer der Marktanalyse- und Datenintelligenzunternehmen Exante Data und Market Reader. «Ich erhalte viele Fragen von meinen Kunden zu diesem Thema.»

Andere Analysten raten zu mehr Gelassenheit. So sagte Mike Mayo, Bankexperte bei Wells Fargo, gegenüber der «Financial Times», dass die Probleme der Silicon Valley Bank zwar die Einstellung der Investoren zu Banktiteln negativ beeinflusse, die Probleme der Bank aber nicht repräsentativ für den gesamten Bankensektor seien.

Wie sieht es bei Schweizer Banken aus?

So haben nach der Finanzkrise gerade die Grossbanken strenge Liquiditätsvorschriften, dass sie genug flüssige Mittel vorhalten müssen, um Einlagenabflüsse zu bezahlen.

Den Stresstest dazu hatte zum Beispiel die Credit Suisse im vergangenen Herbst, als Kundinnen und Kunden über 100 Milliarden Dollar Gelder abzogen. Auf Gruppenebene konnte die CS die Liquiditätsanforderungen trotz diesem Ansturm stets erfüllen.

Was zur Frage führt, wie die Lage in der Schweiz ist. Sie unterscheidet sich in einigen Punkten deutlich von den US-Häusern.

So investieren Schweizer Retailbanken wie Raiffeisen oder die Kantonalbanken deutlich weniger Gelder im Anleihemarkt als US-Banken oder deutsche Institute. 

Und Schweizer Kundinnen und Kunden haben bisher nicht ihre Konten in Scharen saldiert, um ihr Geld zu anderen Banken zu bringen oder ihre Liquidität gewinnbringend am Kapitalmarkt anzulegen. 

Banken tun sich gegenseitig nicht weh

Das liegt primär daran, dass die Schweizer Banken bei den Sparzinsen knausern. Laut einer Übersicht des VZ Vermögenszentrums bieten Schweizer Banken ihren Kundinnen und Kunden meist weniger als 0,5 Prozent Zinsen. Bei der SNB bekommen Banken dagegen 1 Prozent Zins, wenn sie ihre Liquidität zur Notenbank bringen - das gilt zumindest bis zum Freibetrag der Bank, Summen darüber verzinst die SNB nur noch mit 0,5 Prozent. Dennoch ist es kein Wunder, dass die meisten Banken steigende Zinsergebnisse ausweisen für 2022.

Zum anderen sind Schweizer sehr treue Bankkunden, wegen ein paar Zehntel Prozent mehr Zins wechseln die wenigsten die Bank.

Und was ist mit den Bilanzrisiken aus Wertpapieranlagen? Alte Bonds mit den tiefen Coupons verlieren ja an Wert im Zuge der Zinswende. Müsste dies nicht zu Verlusten führen?

Die Schweizer Banken parkieren meist ihre überschüssige Liquidität nicht am Kapitalmarkt, sondern bringen das Geld zur Schweizerischen Nationalbank. Der Grund ist ganz einfach: «Zur Absorbierung der Überschussliquidität ist der Schweizer Anleihemarkt in Franken viel zu klein», sagte ein Finanzchef einer grossen Kantonalbank.

Beispiel Zuger Kantonalbank: «Die Zuger Kantonalbank legt ihre Überschussliquidität nicht in Wertpapieren an», erklärt das Institut auf Anfrage.

Mit Blick auf die Bilanzen hat die Postfinance in Sachen Überschussliquidität noch mit das grösste Problem. Denn die Postfinance ist nur eine halbe Bank, sie darf keine Kredite vergeben. Laut Geschäftsbericht hält sie daher 60 Milliarden Franken in Finanzanlagen. Zu aktuellen Marktpreisen sind die Papiere aber nur noch 56 Milliarden Franken wert. Sprich, in der Bilanz schlummern 4 Milliarden unrealisierte Verluste.

Die Schweizer Bilanzregeln erlauben aber, diese Verluste nicht im Jahresergebnis zu verrechnen, wenn die Papiere bis zu ihrer Endfälligkeit gehalten werden – was die Postfinance tut. 

Zinswende kostet deutsche Banken Milliarden

In Deutschland dagegen hinterlässt die Zinswende viel tiefere Spuren in den Bankbilanzen. So mussten die deutschen 737 Volks- und Raiffeisenbanken laut ihrem Dachverband im vergangenen Jahr insgesamt 5,8 Milliarden Euro auf Wertpapierbestände abschreiben, weil die Papiere wegen der Zinswende an Wert verloren haben. Bei den deutschen Sparkassen waren es knapp 6 Milliarden Franken. 

Dennoch könnte die Zinswende auch Schweizer Banken noch Kopfweh bereiten: Denn ihr grösster Aktivposten sind Hypothekarkredite. Und die haben meist auf Jahre hinaus einen festen Zins. Wenn nun Banken die Sparzinsen erhöhen, steigen die Refinanzierungskosten für diese Kredite. In der Regel haben sich Banken gegen diese Risiken aber über Derivate abgesichert. 

Die Zinswende wird nun zeigen, wie gut das bei den einzelnen Häusern funktioniert. Und ob der Wettbewerb um höhere Sparzinsen auch in der Schweiz noch Fahrt aufnimmt. 

(mit Agenturmaterial)

 

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