Dreieinhalb Jahre lang war 1,20 die vielleicht wichtigste Zahl für Schweizer Industrieunternehmen. Es war der Mindestkurs, den die Schweizerische Nationalbank der Wirtschaft garantierte – bis Anfang 2015. Die SNB liess überraschend das Versprechen fallen – und der Franken verteuerte sich schlagartig von 1,20 auf 1,09. Für die Exportwirtschaft begann eine Leidenszeit.

Jetzt steht der Frankenkurs wieder vor dieser Schwelle, der die Unternehmen lange nachgetrauert haben. Am Mittwoch kostet ein Euro kurz vor Mittag nur noch 1,197 Franken. Der Stand von 1,20 ist in Griffweite – und doch bleibt in der Wirtschaft die grosse Erleichterung aus. «Die Entspannung an der Währungsfront hat schon letztes Jahr eingesetzt», sagt Ivo Zimmermann, Kommunikationschef des Industrieverbands Swissmem. Jede weitere Abschwächung des Frankens sei willkommen – aber die Zahl 1,20 habe für Unternehmen nicht mehr dieselbe Bedeutung wie zur Zeit des Euro-Mindestkurses.

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Franken_Euro_Kurs

Wechselkurs: Bis Anfang 2015 garantierte die SNB einen Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken.

Quelle: Ulrich Baumgarten/Getty Images

Der Franken ist schwächer als damals

Gleicher Meinung ist der Direktor der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, Jan-Egbert Sturm. 1,20 sei keine «magische Marke» für Unternehmen, so Sturm. «Sie sollten rational entscheiden.» Zudem habe der Franken real gemessen heute weniger Wert als zu Zeiten des Mindestkurses. In der Schweiz war die Inflation in den letzten Jahren tiefer als im Euroraum. «Der Franken ist heute schwächer, als er es Anfang 2015 bei 1,20 war», sagt Ökonom Sturm. Auch Swissmem-Vertreter Zimmermann betont: «1,20 heute ist vorteilhafter als 1,20 vor drei Jahren.»

Besser als Anfang 2015 ist auch die Nachfrage. In den wichtigen Märkten in Europa wächst die Wirtschaft, Schweizer Unternehmen können wieder mehr exportieren. Diese gute Konjunkturlage im Ausland sei für die Exportwirtschaft fast wichtiger als der aktuelle Frankenkurs, glaubt Sturm – auch weil die Unternehmen gelernt hätten, mit einem starken Franken zu arbeiten.

Roboter halten Einzug

«Die Unternehmen sind wettbewerbsfähiger als Ende 2014», sagt KOF-Ökonom Sturm. Die Betriebe senkten in den letzten drei Jahren ihre Kosten massiv, indem sie Arbeiten automatisierten oder ins Ausland verlagerten. Diese Investitionen in Roboter und neue Standorte ausserhalb der Schweiz wären auch ohne Frankenstärke erfolgt – aber nicht so schnell. Als Folge bauten die Unternehmen Zehntausende von Stellen ab. Viele Firmen verzichteten zudem auf ein Teil der Marge, um trotz der Frankenstärke gegen die ausländische Konkurrenz bestehen zu können.

Nun läuft das Geschäft für die meisten Industrieunternehmen wieder, und es entstehen auch wieder zusätzliche Stellen. Viele Unternehmen hoffen, dass der Franken noch weiter abwertet. KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm hält eine weitere Abschwächung für durchaus möglich. «Es besteht noch Luft nach oben.» Die UBS sagt für Anfang 2019 sogar einen Kurs von 1,23 voraus. Die schwierigen Jahre der Frankenstärke dürften für die Schweizer Industrie vorerst vorbei sein.