Es gibt etwas, das ich gar nicht mag: den Wein als Erste zu degustieren, um dem Personal das Go für den Ausschank zu geben. Ich befinde mich in einem inneren Zwist: Da ist die Angst, dass ich einen Zapfen verpasse, den Wein ausschenken lasse und er später ersetzt werden muss. Oder aber, dass ich einen feinen Korkgeschmack wahrnehme (und ihn zurückmelde), den sonst niemand bemerkt.

Dann bricht jeweils Chaos aus. Alle am Tisch wollen ein Glas verkosten. Man diskutiert, ob der Wein nun Zapfen hat oder nicht. Das Personal holt den Chef de Service, der sich an die Sommelière wendet. Fachmännisch stecken alle ihre Nase in den Wein und versuchen, das Korkaroma herauszuriechen. Doch wie äussert sich ein solcher «Korkschmecker»? Und was steckt dahinter?

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Ein Wein mit «Zapfen» riecht und schmeckt unangenehm. Stinkiger Käse, muffiger Keller, nasser Karton, modriger Schimmel. Der Wein wirkt schal und verhalten. Normalerweise weist ein Wein Fruchtnoten auf, Gewürzaromen, eine Holzaromatik. Ein Zapfen lässt diese Aromen dumpfer werden. Das sind die schwierigen Fälle. Um diesen auf die Schliche zu kommen, hilft die Wassermethode: Man verdünnt den Wein mit warmem oder kohlensäurehaltigem Wasser. Das verstärkt das Fehlaroma. Denn der Bösewicht im Zapfen, das sogenannte Trichloranisol, riecht auch nach der Verdünnung sehr intensiv.

Trichloranisol entsteht durch Mikroorganismen bereits in der Rinde der Korkeiche. Die Annahme, ein Zapfenaroma entstehe während der Weinlagerung, ist daher falsch. Wird ein Wein mit einem infizierten Zapfen verkorkt, springt der Bösewicht bald auf den ganzen Wein über und haftet ihm ein Leben lang an.

Typisch: Nau Cannonau

<p>Cannonau di Sardegna "Nau" DOC

Bezugsquelle: https://www.savardivini.ch/products/cannonau-di-sardegna-nau-doc</p>

Einen Rotwein mit Glaszapfen zu finden, ist gar nicht so einfach. Dieser Sardinier wagt es: Reiner Cannonau – in Frankreich als Grenache, in Spanien als Garnacha bekannt – lagert drei Monate im Holzfass. Das gibt ihm Noten von Beeren und Gewürzen in der Nase, am Gaumen ist er strukturiert mit eleganten Tanninen.

Nau Cannonau di Sardegna DOC, Mora e Memo, Sardinien, 2022, 19.80 Franken, 14% Vol. Alk.

Die Korkindustrie behauptet, dass knapp 1 Prozent aller Weine Zapfen hat. In einer Blindstudie in den USA beanstandete man sogar bei 7 Prozent einen Zapfen. Im Schnitt betrifft es rund 5 Prozent aller Weine. Wegen der hohen Fehlerquote experimentiert die Weinindustrie mit Alternativen: Drehverschluss, Glas- oder Plastikzapfen. Bisher hat sich nichts davon durchgesetzt. Drehverschlüsse sind praktisch luftdicht, weshalb sich die Aromatik bei der Lagerung weniger stark entfaltet. Plastikzapfen sind luftdurchlässiger, Weine oxidieren schneller. Glaszapfen kosten mehr als herkömmliche Zapfen.

Qualitätsweine können deshalb heute noch immer einen Korkfehler aufweisen. Wer einen solchen zu riechen meint, hat drei Optionen: Die ehrlichste Taktik ist, direkt zu sagen, dass man unsicher ist. Die verzögernde Taktik: abwarten, immer wieder am Wein riechen, bis man angesprochen wird. Keine Taktik: nichts sagen. Spass macht ein Zapfenwein nicht. Und spätestens wenn die Sommelière mitdiskutiert, öffnet das Restaurant eine weitere Flasche. Im Vergleich zeigt sich dann schnell, wer recht hatte.