Digitalisierung und das Internet of Things (IoT) sind bereits seit den frühen 1990er Jahren Begriffe, die in vielen Industrien Hoffnungen wecken. Betrachtet man jedoch die tatsächliche Durchdringung der verschiedenen Märkte mit diesen Lösungen, zeigt sich, dass ein Gros der Entwicklung in den letzten zwei bis drei Jahren stattgefunden hat. Getrieben durch die grossen Tech-Unternehmen Alphabet, Apple und Amazon, etablieren sich smarte Geräte immer mehr in unserem Leben. Aktuell legen diese Geräte noch einen starken Fokus auf Convenience, aber es eröffnen sich auch Potenziale für die Versicherungsbranche. 

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Autor:
Stefan Koller, Product Owner MICA Insurance.

Im Bereich der Motorfahrzeugversicherungen wurde das Potenzial von Sensoren als zusätzliche Datenquelle bereits früh erkannt. Geräte, die den Fahrstil des Fahrers aufzeichnen, werden seit einigen Jahren – gerade für risikoreichere Kundengruppen – rege eingesetzt. Ausserhalb der Motorfahrzeugversicherungen harzt es jedoch mit dem Einsatz von IoT-Lösungen im Versicherungsgeschäft. Dies obwohl eine Win-win-Situation durch den Einsatz von IoT-Sensoren vorliegt. Am klarsten sind diese Vorteile bei den Gebäudeversicherungen ersichtlich. Statt Brandschäden zu bezahlen, wäre eine frühzeitige Intervention, bevor die Flammen um sich greifen, für alle Beteiligten sinnvoller. Erste Insurtech-Unternehmen im Ausland begehen genau diesen präventionsfokussierten Weg in der Gebäudeversicherung bereits heute. Dazu gehören beispielsweise Hippo (USA) oder Luko (Frankreich). Das Potenzial dieser Lösungen wird von Investoren aus dem Versicherungsgeschäft wie beispielsweise dem Munich Re Ventures Fund gesehen. 

Nutzen wird transparent messbar

Die Erstversicherer bleiben jedoch zurückhaltend, wenn es um die Nutzung von IoT-Lösungen im Privatkundengeschäft geht. Obschon verschiedene Sensoren wie beispielsweise Rauchwarnmelder oder Wassermelder bereits seit Jahren am Markt sind, ist die Datengrundlage bezüglich des Nutzens der Geräte bescheiden. Zwar wissen wir aus anderen Ländern, dass die Todesfälle infolge Feuer durch Sensoren deutlich gesenkt werden. Für die meisten Versicherer stehen jedoch die Sachschäden im Vordergrund. Diese Zahlen sind bis heute nur in ungenügender Qualität erhoben worden. Durch die Vernetzung der IoT-Geräte kann der Nutzen nun transparent gemessen werden, indem die Sensordaten mit den Versicherungsdaten kombiniert werden. In wenigen Jahren wird die Datengrundlage gut genug sein für risikoarme Investitionsentscheidungen. Zu diesem Zeitpunkt dürfte allerdings die Durchdringung der Geräte bei den Kunden bereits so weit fortgeschritten sein, dass sich die Versicherer wieder in einem besetzten Markt vorfinden. 

Offene Ökosysteme sind die Zukunft

Dies bringt uns zur zweiten Herausforderung, der Entwicklungsdynamik der Technologie. Um bereits heute IoT-basierte Versicherungslösungen anbieten zu können, ist es entsprechend wichtig, zukunftsfähige Lösungen zu bauen. Aktuell fehlen klare Standards für IoT-Geräte. Diese will nun die Zigbee Alliance – eine Branchenallianz bestehend aus Grössen wie Amazon, Apple, Google, Ikea oder Samsung – ändern. Wer heute nachhaltige Lösungen entwickeln will, tut gut daran, in offenen Ökosystemen zu denken. Eigenentwicklungen, die nicht mit den Geräten der Branchenriesen kommunizieren können, werden mittelfristig kaum eine Chance mehr haben. 

Misstrauen der Kunden

Die ganz grossen Herausforderungen bei der Kombination von Versicherungs- und Hardware-Lösungen sind keine technischen Probleme, sondern von den Versicherungen hausgemacht. Das Vertrauen der Kunden gegenüber den Versicherungen ist tendenziell angeschlagen. Wenn der Versicherer nun Hardware bei den Kunden installieren will, stellt sich unweigerlich die Frage, ob diese zu Ungunsten der Kunden, zum Beispiel bei der Beweisführung im Schadenfall, genutzt werden kann. Um erfolgreich digitale Versicherungsmodelle bei den Kunden platzieren zu können, muss absolut transparent geklärt sein, wie die IoT-Daten verwendet werden. Wir haben uns dabei entschieden, diese Daten nur für Präventionszwecke einzusetzen und sie im Schadenfall nicht zu Ungunsten der Kunden zu benutzen. 

Big Tech geben das Tempo an

Die Herkulesaufgabe rührt daher, dass die Konkurrenz in diesem Umfeld nicht aus dem Versicherungsgeschäft kommt. Digitalunternehmen wie Netflix, Google oder Spotify definieren die Erwartungen der Kunden an digitale Lösungen. Eine einwandfreie Kundenführung, einfache und verständliche Produkte, attraktive Preise, moderne Apps und zunehmend auch Sprachsteuerung werden zur Selbstverständlichkeit. Um mit diesen Unternehmen mithalten zu können, müssen die Werkzeuge solcher Digitalunternehmen eingesetzt werden können. Cloud Computing, künstliche Intelligenz, UX-Design und agile Unternehmensformen sind in diesem Umfeld die Pflicht und keine Kür. 

Zu gewinnen gibt es viel. Versicherungsunternehmen, die diese Herausforderungen meistern, Insurtech-Lösungen entwickeln und vermarkten können, werden ihre Kundenbeziehungen behalten und wahrscheinlich sogar ausbauen können. Diese Interaktionen schaffen Vertrauen, was wiederum auch in Zukunft die Basis für das Versicherungsgeschäft darstellen wird.

 

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