Vorsorgen fürs Alter oder für Risiken wie einen schwereren Unfall oder längere Krankheit wird immer wichtiger. Wenn staatliche Leistungen und Pensionskassen-Umwandlungssätze gesenkt werden, bedeutet das immer auch eine Verschiebung der Verantwortlichkeit von Institutionen zum Individuum. 

Ein Grossteil der Bevölkerung ist jedoch mit den oben genannten Themen überfordert. AHV/IV, Lohnausweis, Pensionskassenausweis, 3a/3b, Todesfallkapital, Invaliditätsleistungen – es herrscht ein Informationswirrwarr, aber wie die Situation für den Haushalt oder die Familie denn auch wirklich aussieht, ist den wenigsten bewusst. Die Komplexität der Materie schreckt ab. 

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Autor:
Dr. Jonas Bösch, CTO vlot

Es besteht eine klare Notwendigkeit, diese Daten für die Bevölkerung einfach verständlich und greifbar zu machen. Dies schafft die Grundlage für bewusste und informierte Entscheide, um mögliche Vorsorgelücken zu identifizieren und zu schliessen. 

Komplexe Dinge verständlich darstellen

Die Lösungen vieler Insurtechs und Digitalversicherer zeichnen sich dadurch aus, dass komplexe Daten einfach verständlich dargestellt und erklärt werden können. Damit dies aber im Vorsorgebereich besser funktionieren kann, ist es essenziell, dass (mit Zustimmung der Kunden) auf die grundlegenden Daten zugegriffen werden kann, damit mit überschaubarem Aufwand eine exakte Analyse möglich ist. Während in der Schweiz zwar viele Versicherungen Schnittstellen (API) in der einen oder anderen Art anbieten, gibt es zahlreiche technische und nichttechnische Hürden. 

Wenn die Daten nicht automatisiert abgerufen werden können, erschwert das die Zugänglichkeit von Vorsorgeanalysen, da fehlende Daten manuell vom Kunden eingegeben werden müssen. Dies führt zu längeren und komplexeren Workflows, mehr Abbrüchen und zu Fehlern, wenn Werte nicht korrekt übertragen werden. 

Die Bankenwelt hat dank PSD2 in der EU einen grossen Schritt vorwärts gemacht. So ist es möglich, dass ein Kunde in seiner bevorzugten Bank-App die Konten verschiedener Banken sieht, ohne dass die App-Hersteller mit jeder Bank eine vertragliche Beziehung eingehen müssen. Dies hat die Hürden für Fintechs stark reduziert und ermöglicht neue und innovative Produkte – immer mit der Zustimmung der Kunden zur Nutzung ihrer Daten. Während im EU-Raum Kunden somit auch ihrer Versicherung erlauben können, auf ihre Bankdaten zuzugreifen, fehlt ein solcher Standard für Versicherungsdaten. 

Drei Säulen = viele Datensilos

In der Schweiz ist die Unterstützung für PSD2 nicht gesetzlich vorgegeben und der Standard wird von vielen Banken noch nicht unterstützt. Es gibt auch Anstrengungen in der Finanzindustrie, eigene Standards zu bauen. Ein gutes Beispiel hier ist zum Beispiel die Swiss Corporate API der SIX-Gruppe. 

Für den Versicherungs- und speziell den Vorsorgebereich gestaltet sich die Situation noch schwieriger, da die Daten für die drei Säulen von verschiedenen Akteuren gehalten werden. Die Daten für die erste Säule (AHV) liegen beim Staat, die Daten der zweiten Säule bei verschiedensten Pensionskassen und die Daten der dritten Säule bei grossen Versicherungen und den Banken.

Fehlende Standards, veraltete Technologien 

In der Zusammenarbeit mit Versicherungen und Pensionskassen hat sich gezeigt, dass viele schon API haben und sich weitere im Aufbau befinden. Jedoch weisen existierende API grosse Unterschiede in der Qualität auf, sind meist ungenügend dokumentiert. 

Es fehlt ein standardisierter Satz von Grunddaten wie z. B. Berufsbezeichnungen, welche für Prämienberechnungen relevant sind. Solange jede Versicherung voneinander abweichende Basisdaten verwendet, ist die Interoperabilität schwierig, auch nachdem die technischen Hürden überwunden worden sind. Es gibt erste Schritte im Markt, eine solche Basis zu schaffen (z. B. Open Ontology). Diese zukunftsträchtigen Vorhaben stecken jedoch noch in den Kinderschuhen oder müssen sich erst noch in der Praxis beweisen. 

Auch basieren existierende Schnittstellen in vielen Fällen auf älteren Technologien wie SOAP oder REST statt auf modernen, typensicheren und effizienten Standards wie gRPC oder GraphQL oder haben langsame Antwortzeiten. Dies macht Anbindungen komplexer und fehleranfälliger und schadet dem Kundenerlebnis.

Da eine gesetzliche Regelung bis auf weiteres nicht in Aussicht steht, ist auch hier Eigeninitiative und engere Zusammenarbeit von Akteuren im Markt notwendig. Insurtechs mit ihren flexiblen und zukunftsträchtigen Technologien können so in Zusammenarbeit mit etablierten Unternehmen Lösungen erarbeiten, welche helfen, Vorsorgelücken zu erkennen und zu schliessen. Die Digitalisierung kann so Kunden befähigen, ihr langfristiges finanzielles Wohlergehen zu verbessern. 

 

HZI-Special «Insurtec» – bisher erschienen: