Gefälschte Rechnungen, vorgetäuschte Unfälle und Krankheiten, erfundene Diebstähle: Die Liste der Tricks, mit denen betrügerische Versicherungsnehmende Geld von der Assekuranz Geld erschleichen wollen, ist lang. Rund 10 Prozent aller Auszahlungen im Versicherungsbereich basieren gemäss Schätzungen des Schweizerischen Versicherungsverbands (SVV) auf Betrug. Bei einem jährlichen Schadenaufwand von rund 7 Milliarden Franken in der Motorfahrzeug-, Sach- und Haftpflichtversicherung macht das jährlich einen Betrag von rund 7 Millionen Franken aus.

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In einer losen Serie von Beiträgen blickt HZ Insurance hinter die Kulissen von Cybercrime und Betrugsszenarien, die Versicherern zu schaffen machen. Bisher erschienen: 

KI-Methoden erleichtern Fallanalysen

Mithilfe von künstlicher Intelligenz wird Versicherungsbetrug und -missbrauch erschwert: Neue Technologien bieten den Versicherern mittlerweile immer bessere Möglichkeiten, Betrugsfälle leichter und systematischer aufzuspüren. Einige Beispiele:

  • Telematiksensoren in Autos können Rückschlüsse auf den Unfallhergang und den potenziellen Schaden ziehen. So lässt sich beispielsweise auch überprüfen, ob die Geschwindigkeit überhaupt hoch genug war, um ein Schädeltrauma hervorzurufen. Eine solche Verletzung lässt sich nur schwer nachweisen und ist bei Versicherungsbetrügern beliebt.
  • KI-unterstützte Datenvergleichsverfahren können gefälschte Rechnungen erkennen. Dabei wird zum Beispiel analysiert, wie gross die statistische Wahrscheinlichkeit ist, dass eine bestimmte Postleitzahl des Öfteren auftaucht oder dass ein Kaufdatum stimmt. Oder wie oft Schadenmeldungen von bestimmten Kaufadressen kommen.  
  • Bildforensiksoftware hilft, gefälschte oder kopierte Bilder zu enttarnen. Auf diese Weise kann mittlerweile leicht ermittelt werden, wann ein Bild fotografiert wurde und woher es stammt. Und es lässt sich auch herausfinden, ob ein Bild oder eine Schadenssituation bereits einmal bei einem Schadensfall als Beleg angegeben wurde.
  • «Dynamic Data»-Technologien nutzt zum Beispiel das britische Unternehmens Hanzo, um unter anderem nach Informationen in öffentlich zugänglichen soziale Medien und virtuellen Marktplätzen zu scannen – mit dem Ziel, die Plausibilität von Schadensmeldungen zu überprüfen. Pech also, wenn ein Versicherter in Posts und Videos über den schönen Urlaub auf den Malediven schwärmt, wenn er gleichzeitig zu Hause wegen eines schweren Unfalls krankgemeldet ist.
  • Crowd Sourcing über externe Daten wie zum Beispiel in Wetter-Apps kann weitere Hinweise dazu liefern, ob Angaben von Versicherten zu einem gemeldeten Schaden stimmen.
  • Mustersuche in unstrukturierten Daten: An diesem Punkt wird Betrugsbekämpfung wirklich findig. Mit künstlicher Intelligenz lassen sich Netzwerke und Verbindungen in Datenmassen recherchieren. Im Einzelfall können so typische Betrugsmuster von kriminellen Banden erkannt werden, die mit immer wieder ähnlichen Schadensmeldungen, gleichen Kontakten zu Anwältinnen, Beteiligten, Zeugen und angeblich Geschädigten operieren oder bestimmte Bankkonten für Schadenszahlungen nennen.

Spurensuche nach Zeichen und Zahlen

«Es gibt mehr als hundert verschiedene Indikatoren in einem Dokument, die Aufschluss über möglichen Betrug geben können», sagt Jeff Manricks, Manager bei Shift Technology. Das 2014 gegründete französische Insurtech mit Sitz unter anderem in Zürich unterstützt Versicherungen bei der Automatisierung und Optimierung ihrer Strategien in den Bereichen Betrug und Finanzkriminalität.

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Automatisierte Schadenprüfung

Ein Vorteil von künstlicher Intelligenz ist die Geschwindigkeit: Wurden früher Schadensfälle in der Regel über Wochen und Monaten per Hand von einzelnen Mitarbeitenden bearbeitet, hat sich die Bearbeitungszeit in den vergangenen Jahren deutlich verkürzt. Bei Shift Technology analysieren Algorithmen jährlich Hunderte Millionen Schadenfälle weltweit. Mit KI-Methoden wie optische Zeichenerkennung (OCR) lassen sich auch Informationen aus Dokumenten extrahieren, die sich als stichhaltige Beweise nutzen lassen. KI dient so als Entscheidungshilfe und liefert Grundlagen, wie weiter zu verfahren ist. 

Auf 75 Prozent Treffsicherheit bei Verdachtsfällen sollen es die neuen Technologien bereits bringen. Aufklären sollen letztlich aber die KI-Methoden solche Betrugsfälle nicht. «Dafür sind immer noch die Betrugsspezialisten bei den Versicherern zuständig», heisst es bei Shift Technology.

Personendaten erfordern sensible Handhabung

Die Versicherungsbranche kommuniziert bislang sehr vorsichtig zu den neuen KI-Methoden der Betrugsermittlung. Denn Personendaten sind mit der Revision des Schweizer Datenschutzgesetzes besonders geschützt und sensibel. Vor jedem Einsatz moderner KI-Methoden muss daher die Vereinbarkeit der Datenerhebung mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen genau geprüft werden.

Riesiges Potenzial für künstliche Intelligenz

Sita Mazumder, Professorin für Informatik und Wirtschaft an der Hochschule Luzern und Mitglied des Verwaltungsrats der Helsana-Gruppe, schätzt das Potenzial der künstlichen Intelligenz im Versicherungsumfeld als «riesig» ein. «Künstliche Intelligenz kann überall Teil der Lösung sein», sagt sie. Das gelte für das Erkennen von Risiken oder Detektieren von möglichen Betrugsfällen ebenso wie für die effizientere Gestaltung von Prozessen und die Entwicklung von adäquaten Produkten. 

Sie beobachtet, dass Versicherungsunternehmen sich beim Thema künstlicher Intelligenz in unterschiedlicher Geschwindigkeit entwickeln. «Es gibt in gewissen Bereichen Front-Runners in der Branche – und es gibt auch das Gegenteil.» Das sei nicht zu werten und wenig überraschend, denn KI-Anwendungen lassen sich nicht simpel in Betrieb nehmen. Fazit von Sita Mazumder: «Wer auf KI-Technologie setzt, muss bereit sein, Kosten und Aufwand auf sich zu nehmen – und das will überlegt und richtig gemacht sein.»