Die Aussichten für die deutschen Unternehmen verschlechtern sich zusehends. Das geht aus einer DIHK-Umfrage unter rund 3700 Firmen hervor, die der Verband seit Jahren zu ihren Perspektiven im Ausland befragt. «Die Ergebnisse waren noch nie so schlecht wie heute», sagte der Aussenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Volker Treier, am Donnerstag in Berlin.

Die Exporteure müssten sich 2020 erstmals seit der Finanzkrise vor über zehn Jahren auf ein Minus einstellen. Aber auch zu Hause sind die Aussichten trübe. Die Industriestaaten-Organisation OECD sagt Deutschland eine Dauer-Flaute voraus und fordert milliardenschwere Investitionen.

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Hauptgrund für den Pessimismus ist der von US-Präsident Donald Trump angefachte Handelsstreit mit China und zu einem geringeren Masse auch mit Europa. Unternehmen beginnen deswegen, ihre Wertschöpfungsketten neu aufzustellen. «Die internationale Arbeitsteilung stockt», erläuterte Treier. «In der Folge werden Investitionspläne zusammengestrichen.» Insidern zufolge wird der erste Teil des geplanten Handelsabkommens zwischen den USA und China möglicherweise erst 2020 abgeschlossen. Die Volksrepublik verlange eine Aufhebung zusätzlicher Zölle, während die USA ebenfalls weitere Forderungen stellten.

«Der Welthandel liegt am Boden», sagte Treier. Er dürfte 2020 nur um 1 Prozent zulegen. Das durchschnittliche Wachstum in den vergangenen Jahren sei 5,6 Prozent gewesen. Deutschland ist davon besonders betroffen. Die Ausfuhren der deutschen Industrie dürften nächstes Jahr um 0,5 Prozent zurückgehen.

Exporte im Sommerquartal besser als gedacht

Die deutsche Wirtschaft insgesamt war im dritten Quartal 2019 leicht gewachsen und schrammte damit knapp an einer Rezession vorbei. Ein unerwartet solider Aussenhandel war dabei eine der Stützen - neben den Ausgaben des Staates und dem robusten Konsum. Im Jahresvergleich legten die Exporte in die USA um 7,6 Prozent zu, nach Frankreich um 3,1 Prozent, während sie nach China nahezu stagnierten.

Gabriel Felbermayr, der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, verwies auf die 14-prozentige Abwertung des Euro zum Dollar seit Anfang 2018. «Die USA kaufen verstärkt aus der EU und Deutschland, was durch die Zölle nicht mehr günstig aus China zu importieren ist.» In Frankreich wirken unterdessen die Arbeitsmarktreformen von Präsident Emmanuel Macron sowie die expansive Finanzpolitik. Das helfe den Exporteuren, sagte Handelsexperte Jens Südekum von der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. «Frau Merkel sollte ein Dankesschreiben nach Paris schicken.»

Forderung nach mehr Investitionen werden lauter

Die OECD prognostiziert für Deutschland nur ein Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent im laufenden Jahr. Auch 2020 mit plus 0,8 Prozent und 2021 mit 0,9 Prozent dürften vergleichsweise magere Jahre werden, obwohl die vorgesehene Anhebung des Kindergeldes und der Wegfall des Solidaritätszuschlags für viele Beschäftigte den privaten Konsum ankurbeln dürften. «Wir haben ein bisschen die Sorge, dass sich dieses langsame Wachstum verfestigen könnte», sagte die OECD-Ökonomin Nicola Brandt.

Sie rät angesichts der guten Haushaltslage zu mehr Investitionen: «Es besteht fiskalischer Spielraum, auf den Abschwung zu reagieren.» In vielen Bereichen - etwa Breitband-Internet, Strassen, Schulen, Wohnungsbau, Energie, Abfall- und Wasserwirtschaft - gebe es Nachholbedarf. «Die derzeitigen Ausgabenpläne reichen nicht aus, um den Investitionsstau zu beheben.» Unterstützt von Gewerkschaften, aber auch dem Industrieverband BDI hatten führende Ökonomen zuletzt ein 450 Milliarden Euro schweres Investitionspaket gefordert, um die Infrastruktur und das Bildungssystem zu modernisieren.

Die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse stellten sie dabei ebenso infrage wie die noch auf Jahre von der Regierung angestrebte Schwarze Null im Haushalt. Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Olaf Scholz verwiesen allerdings zuletzt wiederholt darauf, dass die Investitionen bereits auf Rekordniveau lägen und etwa die Baubranche den Aufträgen kaum mehr hinterherkomme.

Die Bundesregierung sollte nach Ansicht des Wirtschaftsweisen Achim Truger gegensteuern, wenn die Konjunkturflaute verstärkt den Jobmarkt trifft. Dann müsste es schnelle, zielgenaue und zeitlich befristete Schritte geben, sagte er in einem Reuters-Interview. «Wenn die monatlichen Konjunkturdaten deutlich heruntergehen würden oder es heftige Reaktionen am Arbeitsmarkt wie spürbar mehr Kurzarbeit gäbe, könnte der Zeitpunkt für ein Eingreifen sein.» In so einem Falle seien Abschreibungserleichterungen zu empfehlen. «Das könnte dazu führen, dass Unternehmensinvestitionen vorgezogen werden.» Zudem sollte man dann auch einen Kinderbonus erwägen, befristete Steuerentlastungen und notfalls auch die für 2021 geplante Teilabschaffung des Soli vorziehen.

(reuters/mlo)