Wenn man Menschen auf der Strasse fragt, was es für sie bedeutet, Erfolg zu haben, sind die Antworten fast immer dieselben. Ein interessanter, gut bezahlter Job, ein Haus oder zumindest eine schön eingerichtete Wohnung, Anerkennung und gute Aufstiegsmöglichkeiten bei der Arbeit.

Wer noch genauer nachfragt, stellt fest: Dahinter steckt für viele der einfache, existentielle Wunsch nach mehr Geld. So einfach ist die Analyse – denn Geld bedeutet für die meisten: Sorgenfreiheit. Dass man aber für ein gut gefülltes Bankkonto fast immer seine Freizeit opfern muss, scheint sie weniger zu kümmern.

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Mehr Freizeit macht glücklicher

In einer kürzlich in der «New York Times» besprochenen Studie der Anderson School of Management und der Wharton School der University of Pennsylvania wurden 4415 Personen befragt. Und tatsächlich: 64 Prozent erklärten, sie hätten lieber mehr Geld als mehr Freizeit.

Gleichzeitig stellte sich jedoch heraus, dass diejenigen, die mehr Wert auf Freizeit legten, letztendlich auch glücklicher waren. Auf die Idee zu dieser Studie kam Hal E. Hershfield, ein Professor an der UCLA Anderson School of Management.

Seminar oder Kind?

Er stand eines Tages vor einer schwierigen Wahl. Man lud ihn ein, ein Seminar zu führen, in einem anderen Staat. Es sollte ein ganzes Wochenende dauern – während zu Hause sein gerade mal drei Monate altes Baby auf ihn warten würde.

Er musste also wählen: zwischen dem Geld, das ihm das Arbeitswochenende im Seminar einbringen und das indirekt auch seiner Tochter zugutekommen würde, oder dem freien Wochenende an ihrer Seite. Kein Wunder, dass ihn die Frage zu beschäftigen begann: Was macht uns glücklicher, Zeit oder Geld?

Einkommen spielt keine Rolle

Um die Studie besonders ausgeglichen zu gestalten, wurden die Befragten gebeten, auch ihr jährliches Einkommen anzugeben. Ein wichtiger Punkt. Denn wer eher weniger auf dem Bankkonto hat, entscheidet sich logischerweise schneller für mehr Geld – und nicht für die Freizeit... oder?

Tatsächlich wurden hier Personen miteinander verglichen, die die gleichen Voraussetzungen mitbrachten bezüglich ihres Alters, Geschlechts, Ehestands, Elternschaft und materiellen Besitzes. Und erneut war das Ergebnis der Studie: Wer sich für mehr Freizeit entschied, war glücklicher in seinem Leben.

Chance auf Glücksmomente

Diese Menschen waren motivierter, Dinge zu unternehmen, die direkt mit ihrer Zufriedenheit im Zusammenhang standen, im Vergleich zu denen, die sich eher auf das Geldverdienen konzentrierten. Und was vielleicht noch wichtiger war: Sie nutzten ihre Zeit, um auch über sich selbst nachzudenken – und sich eine Chance zu geben, Glücksmomente bewusst zu erleben.

Sie investierten ihr vorhandenes Geld lieber in ihre Freizeit, als es auf lange Sicht anzulegen. Und das, was sie in ihrer Freizeit erlebten machte sie eindeutig glücklicher als materielle Dinge, die man mit Geld kaufen kann. Man könnte auch sagen: sie lebten ihr Leben bewusster.

Millennials lieben Abenteuer

Die gute Nachricht ist: Gerade die Millennials scheinen das immer mehr zu begreifen. Sie legen weniger Wert auf materielle Sicherheit und Anschaffungen, als die Generationen vor ihnen. Eine Studie der «Harris Group» fand heraus, dass 72 Prozent der Millennials lieber etwas erleben und in Reisen investieren – oder am besten gleich in Abenteuer.

Was auch die Wirtschaft in den USA zu spüren bekommt. Die Erlebnis-Anbieter sind stark im Kommen, während Anbieter von teurer Markenkleidung, Autos und anderen Statussymbolen in die roten Zahlen geraten.

Und so könnte der Trend doch in Richtung Glücksmomente gehen und weg von der reinen materiellen Sicht mit viel Geld und Besitz von teuren Dingen. Denn die Zeit, die wir mit Familie, Freunden und draussen in der freien Natur verbringen, ist am Ende unseres Lebens bedeutend wichtiger als ein neues Auto, die teure Wohnung oder andere materielle Kostbarkeiten.

Dieser Text erschien zuerst in «Welt Kompakt» unter dem Titel «Junge Menschen lösen sich allmählich vom Geld».