Der Krieg zwischen Israel und dem Iran hat sich in den vergangenen Wochen gefährlich hochgeschaukelt – und auch die USA mit hineingezogen. Für die Finanzmärkte waren die Entwicklungen im Nahen Osten jedoch ein Non-Event. Verschiedene Börsenindizes verzeichnen gar Höchstmarken. Nicht einmal der Ölpreis reagierte gross, als amerikanische Spezialbomben auf die verbunkerten Atomanlagen des Irans fielen. Das lässt sich auf zwei Arten interpretieren. Entweder haben die meisten Marktteilnehmer mit einer Deeskalation und einem Waffenstillstand gerechnet, oder der ökonomische Schaden einer weiteren Eskalation wurde als nicht besonders gross eingestuft.
Denn an der Börse zählt nur die eine Frage: Können die Unternehmen in diesem Umfeld weiterhin ihren Geschäften nachgehen und Gewinne machen? Im Iran und in Israel ist dies unter der ständigen Bedrohung durch Raketeneinschläge nur eingeschränkt möglich. Aber die beiden Länder sind wirtschaftlich zu unbedeutend – ihr BIP ist kleiner als das der Schweiz –, als dass sie den Lauf der Weltkonjunktur verändern könnten. Kein internationaler Börsenkonzern kommt in Schwierigkeiten, weil die Nachfrage im Nahen Osten einbricht.
Den grösseren Einfluss hat das Öl. Etwa ein Drittel der globalen Produktion kommt aus der Golfregion. Der Iran selbst hat daran einen geringen Anteil, doch er könnte mit seinen Raketen Anlagen in der Region ausschalten oder die Strasse von Hormus blockieren, durch die rund 20 Prozent der globalen Ölproduktion transportiert wird. Ein solcher Angebotsschock würde den Ölpreis empfindlich in die Höhe treiben, mit Folgen für die Weltwirtschaft. Denn trotz abnehmender Bedeutung ist Erdöl immer noch der wichtigste Energieträger.
Die Mehrkosten schmälern die Gewinnmargen oder werden an die Konsumenten weitergegeben, was die Inflation anheizt. Tatsächlich ist der Ölpreis nach dem Beginn der israelischen Angriffe etwas gestiegen, aber selbst in der Spitze blieb der Brent-Fass-Preis mit 76 Dollar weit unter dem Niveau, das ernsthafte Inflation oder Wachstumssorgen auslösen könnte. Und seit klar ist, dass der Iran vor einer Blockade der Hormus-Enge zurückschreckt, hat sich die Lage am Ölmarkt komplett beruhigt.
Der aktuelle Waffenstillstand ist fragil und der Konflikt noch lange nicht vorbei. Doch für die Finanzmärkte rückt ein anderes Thema in den Vordergrund: Trumps «reziproke» Zölle, die im Juli in Kraft treten müssten, weil ausser mit Grossbritannien noch kein Deal erzielt wurde.
Anders als ein regionaler Krieg haben globale Zölle und gestörte Lieferketten schwere Folgen für die Weltwirtschaft. Im Moment dominiert an den Märkten die Ansicht, dass Trump wieder einmal nachgibt und die Frist verlängert. Bleibt zu hoffen, dass sie auch dieses Mal richtig liegen.