Zwingt die Inflationsentwicklung die US-Zentralbank zu unerwartet starken Zinserhöhungen, so wird es höchstwahrscheinlich ein schlechtes Börsenjahr. Die gute Konjunkturentwicklung der letzten Jahre war nur aufgrund der durch die Notenbanken gedrückten Zinssätze möglich. Dadurch standen den rekordhohen Verschuldungsraten historische Tiefstände an Schuldendienst gegenüber. Sollten die Zinsen aber steigen, wird sich dies konjunkturell bei Konsum und Investitionen massiv negativ auswirken.    

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An den Aktienmärkten kommt dann auch zum Tragen, dass die Bewertungen historisch hoch sind und die Überinvestierung der Anleger in Aktien historische Extreme erreicht hat.    

Behält die US-Notenbank die Nerven?    

Sieht die US-Zentralbank dagegen durch die laufende Inflationswelle hindurch und bleibt bei der Meinung, dass die Inflation im nächsten Jahr wieder deutlich fallen wird, und sieht entsprechend von Zinserhöhungen ab, könnte 2022 erneut ein sehr gutes Börsenjahr werden. In der Vergangenheit sind allen Börsenjahren mit über 20 Prozent Indexplus (wie bisher in diesem Jahr) im Folgejahr in der Regel Aufwärtsbewegungen in zweistelliger Prozentzahl gefolgt.
 

Über den Autor

Dr. Jens Ehrhardt ist Gesellschafter der DJE Kapital AG, einer der grössten bankenunabhängigen deutschen Wertpapier-Vermögensverwaltungsgesellschaften. Zuvor war er Mitinhaber der bankenunabhängigen Wertpapier-Vermögensverwaltungsgesellschaft Portfolio Management, München. Er hat Betriebswirtschaft in Hamburg und München studiert. Er promovierte dann an der Universität München über das Thema «Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt unter besonderer Berücksichtigung monetärer Determinanten».    

Bleiben die Zinsen tief, gibt es in der Tat keine Anlagealternative zu Aktien – und die augenblickliche Investitionswelle in den USA (die stärkste der Nachkriegszeit) dürfte sich fortsetzen. Damit wären weiter steigende Gewinne vorprogrammiert.    

Keine Lohn-Preis-Spirale in Sicht  

Tatsächlich besteht Hoffnung, dass wichtige Inflationskomponenten wie der Ölpreis im kommenden Jahr wieder deutlich nachgeben. Die gestiegenen Güterpreise dürften ein steigendes Angebot auslösen, was nach dem üblichen Schweinezyklus auch wieder zu niedrigeren Preisen führen sollte.

Schwieriger ist die Inflation im Dienstleistungssektor zu beurteilen. In den USA fehlt es besonders für unqualifizierte Arbeit an Mitarbeitenden. Hier dürften die Löhne weiter zweistellig anziehen. Dagegen ist die Gehaltsentwicklung bei Mitarbeitenden mit gehobener Ausbildung nicht anders als in der Vor-Pandemie-Zeit, sodass die Entwicklung einer Lohn-Preis-Spirale aus heutiger Sicht nicht realistisch ist. Ganz anders als in den 1970er Jahren.    

Dollar und Gold mit Aufwärtspotenzial    

Bei den Währungen sollte der Dollar im Trend freundlich bleiben. Während die Bundesbank seinerzeit immer internationaler Vorreiter in der Inflationsbekämpfung war, zeigt die EZB weltweit am wenigsten Ansätze zu einer Anti-Inflationspolitik. Daher dürfte der Euro gegen den Dollar weiter abwerten – mit einer Fortsetzung der rekordhohen Inflation bei den deutschen Importpreisen.

Entsprechend werden auch die Produzentenpreise in Deutschland, die bereits auf einem 30-Jahres-Hoch liegen, weiter steigen. Im Euro-Land Spanien stiegen die Produzentenpreise sogar um 31,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Angesichts hoher Teuerungsraten ist eine Flucht in Sachwerte trotz den hohen Preisen bei Immobilien und den Aktienindizes nicht ausgeschlossen. Dies würde dem üblichen Bild einer Abwertungshausse entsprechen.    

Auch Gold sollte nach einem in Dollar gerechnet enttäuschenden Jahr wieder anziehen können. Allerdings stiegen die Goldpreise in Euro gerechnet 2021 sogar leicht an. Die Käufer aus Indien und China sind 2021 wieder zurückgekehrt. Die bisher drückenden Verkäufe amerikanischer ETF-Anleger dürften bei weiterem Inflationsanstieg auslaufen. Sollten die Goldpreise anziehen, dürften Goldaktien überdurchschnittlich steigen.    

Schwarzer Schwan: China bleibt Risikofaktor  

Der schwarze Schwan des Jahres 2022 könnte China werden. Bisher war die Immobilienkonjunktur der Hauptkonjunkturtreiber, was in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Die Immobilieneigentümerquote liegt mit 95 Prozent weit über dem deutschen Stand von unter 50 Prozent, die Bevölkerung geht zurück und die erheblich gewachsene Verstädterung scheint auszulaufen. Die hohen Leerstände (Chinesen legen ihre Ersparnisse weitestgehend in Immobilien an) könnten auf die Preise drücken, was wiederum Verkäufe leerstehender Immobilien bewirken dürfte.

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Die im Gegensatz zum Westen sehr hohen chinesischen Zinsen dürften die in den letzten Jahren erheblich gewachsene Verschuldung bei Privaten und besonders bei Unternehmen zum Problem machen. Eine schlechte Konjunktur würde besonders Deutschland als grösstes Exportland der Welt ausserhalb Chinas treffen.    

Covid-19: Das Damoklesschwert über Chinas Wirtschaft  

Unberechenbar bleibt die Covid-19-Problematik. Zwar versucht man, aus wirtschaftlicher Sicht weltweit Lockdowns zu vermeiden, aber trotzdem dürfte das Konsumverhalten gedrückt werden. Dieses ist in China aufgrund der Immobilienkrise ohnehin schon stark verschlechtert. Während westliche Länder in Sachen Covid offen oder versteckt auf die Immunisierungsstrategie setzen, mit der Schweden begonnen hatte, hat China als einziges Land mit seiner Null-Covid-Strategie einen anderen Weg eingeschlagen.

Bei einer nur begrenzten Öffnung wie zuletzt in den USA könnte auf China ein bisher von keiner Seite erwartetes massives Covid-Problem zukommen. China hat also die Wahl: Null-Covid-Strategie und damit anhaltend schwaches Wachstum, welches das Land seit Jahrzehnten nicht gekannt hat, oder die Öffnung und mehr Wirtschaftswachstum, aber Infektionszahlen von vielleicht über einer Million Menschen pro Tag.