Corona macht auch vor den Strompreisen nicht halt. Mit dem «Lockdown» in vielen Ländern schlossen auch viele Fabriken, was logischerweise zu weniger Stromverbrauch geführt hat.

Laut dem Energiekonzern Alpiq ist die Stromnachfrage im März und April in Ländern wie Spanien, Frankreich, Italien, Grossbritannien um bis zu 25 Prozent gefallen. In Deutschland und in der Schweiz betrug der Rückgang rund 10 bis 15 Prozent.

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Die Covid-19-Pandemie war mit einer plötzlichen und starken Reduktion der Stromnachfrage der Hauptreiber der rückläufigen Strompreise seit Anfang Jahr, sagt das Bündner Energierunternehmen Repower. Dazu kommen aber noch weitere Faktoren: zum Beispiel die milden Temperaturen im Winter, eine starke Wasser- und Windproduktion sowie volle Gasspeicher in Europa zusammen mit niedrigen Öl-, Gas- und Kohlepreisen.

Pandemie beschleunigt Abwärtsspirale

Aber die Strompreise waren laut Axpo bereits vor der Coronakrise unter Druck. Die Rezession infolge der Covid-19-Pandemie habe diese Abwärtsspirale lediglich noch intensiviert, heisst es von dem Energiekonzern.

Die europäischen Strompreise seien bereits seit Sommer 2019 infolge verschiedenster Faktoren unter Druck geraten. Besonders belastet habe ein Verfall der Gaspreise. Vor allem die Amerikaner haben mit eine Welle neuer Flüssiggasprojekte das Angebot ausgeweitet.

Ein hohes Gasangebot drückt auf die Gaspreise, was wiederum auch zu einer sinkenden Nachfrage nach Kohle führt und damit zu einem Rückgang der CO2-Emissionen. Ihren Kohlendioxid-Ausstoss müssen Unternehmen üblicherweise über kostenpflichtige Zertifikate begleichen.

Alle drei - tiefe Gas-, Kohle- und CO2-Preise - belasten den Strompreis: «Insgesamt sanken damit die Grenzkosten zum Betreiben von Gas- und Kohlekraftwerken in Europa, und somit auch die Strompreise», so Axpo. Und mit der Pandemie haben sich der Verbrauch von Gas, Kohle und Strom dann nochmals reduziert.

Gegenläufige Effekte

Die Pandemie könnte aber auch als Preistreiber wirken: Etwa dann, wenn Teile der französischen Atomkraftwerke wegen coronabedingten Verzögerungen bei den Revisionsarbeiten im kommenden Winter nicht zur Verfügung stehen, heisst es vom Berner Versorger BKW.

Auch Energieexperte Patrick Dümmler von Avenir Suisse spricht diese zwei gegenläufigen Effekte an: Die Pandemie habe zwar negativ gewirkt, weil sich die wirtschaftlichen Entwicklungen eingetrübt haben. Auf der anderen Seite herrsche am Markt aber Unsicherheit über die Verfügbarkeit der französischen Atomkraftwerke. Grössere und längere Ausfälle würden den Preis steigen lassen.

«Im Vergleich zu vor der Krise sind die Preise netto aber gefallen.» Besonders stark zurückgegangen sei der Grosshandelspreis für Elektrizität in Italien, wohl aufgrund der besonders einschneidenden Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie, sagt Dümmler.

Kommt die zweite Welle?

Wie sich die Strompreise mittelfristig weiter entwickeln werden, hängt laut den Experten von zahlreichen Faktoren ab und ist daher mit hoher Unsicherheit behaftet. Die derzeit gehandelten Terminpreise für die Jahre ab 2022 zeigen aber, dass der Markt aktuell von einer Erholung ausgeht.

Vieles sei noch offen, heisst es bei Alpiq. «Taucht das Virus wieder grossflächig auf? Gibt es eine zweite Welle? Wie reagieren Gesellschaft und die Märkte in den einzelnen Ländern?» Eine schnelle, vollständige Erholung sei aus heutiger Sicht «eher unwahrscheinlich».

Es komme zudem drauf an, wie einzelne Regierungen ihre jeweilige Stromproduktion mittelfristig aufstellen werden, heisst es bei Axpo-Tochter CKW. So seien etwa die CO2-Preise - mit grossem Einfluss auf die Strompreise - zu einem grossen Teil staatlichen Eingriffen ausgeliefert.

Angebot passt sich Nachfrage an

Ins gleiche Horn bläst Daniel Rupli von der Credit Suisse: Längerfristig würden der Regulator sowie Massnahmen für eine Reduktion des CO2-Ausstosses eine entscheidende Rolle spielen. Rupli geht aber davon aus, dass sich die Strompreise mittelfristig wieder auf vergleichbare Niveaus wie 2019 erholen sollten - unter der Annahme, dass die Wirtschaftsleistung sich wieder auf dem letztjährigen Niveau finden wird.

Aber auch die Stromproduzenten passen das Angebot dem Nachfragerückgang an und drosseln die Erzeugung. Zum Teil sei das kurzfristig bereits geschehen, sagt Alpiq und nennt als Beispiel etwa einen erwarteten Produktionsrückgang im laufenden Jahr von bis zu 20 Prozent in den Kernkraftwerken von EDF in Frankreich. Langfristig sind laut Repower ausserdem die Ausstiegspläne aus Atom und Kohle sowie der Stromverbrauch aus neuen Sektoren - wie zum Beispiel Mobilität - preistreibende Faktoren.

Die Experten sind sich aber einig, dass die Preise zunächst stark vom weiteren Verlauf der Pandemie - und damit von der Erholung der Wirtschaft in Europa und weltweit - geprägt sein werden. Und dieser ist derzeit schwer vorherzusagen.

(sda/tdr)