Die steigenden Fallzahlen und Hospitalisierungen im Zuge der Corona-Pandemie sind nach Ansicht des Infektiologen Manuel Battegay zwar besorgniserregend. Die Schweiz tue jedoch gut daran, nicht alarmistisch zu reagieren.

Es sei nicht angebracht, angesichts steigender Fallzahlen überstürzt Massnahmen einzuführen. Es gelte vielmehr, die bestehenden stringenter umzusetzen, sagte Battegay, Co-Leiter der nationalen Covid-Taskforce, in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» (Paywall).

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«Wir müssen die Bevölkerung konkreter und verständlicher darüber informieren, wie wir uns in alltäglichen Situationen verhalten sollen». Wer zum Beispiel seine betagten Grosseltern im Altersheim besuchen wolle, sollte zehn Tage auf Clubbesuche verzichten.

Viele Freiheiten möglich

Die Spitäler seien für die steigenden Hospitalisierungen gewappnet. Die Kapazitäten seien jedoch nicht unbeschränkt. «Wir schauen täglich auf die Zahl jener, die wegen Covid-19 neu in die Spitäler eingeliefert werden und auf die Belegung der Intensivstationen».

Die Arbeit hinter den Kulissen aller Gesundheitsfachpersonen - von Bund, BAG und Kantonen - sei immens. Ein Lockdown sei keine Alternative. Wenn die etablierten Massnahmen eingehalten würden, seien viele Freiheiten möglich.

«Ich bleibe dabei, dass uns das Coronavirus bis Ende 2021 beschäftigen wird - allerdings mit der Zuversicht auf einen recht baldigen Impfstoff, möglicherweise Mitte 2021. Das Schlimmste dürfte im April 2021 überstanden sein», sagte Battegay auf eine entsprechende Frage des Journalisten.

Zweite Welle: Bund wälzt Pläne für regionale Lockdowns

In der vergangenen Woche überschritt die Zahl der Neuinfektionen den Höchststand vom April. Es drohen erneute Schliessungen. Mehr hier.

Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga macht sich ihrerseits Sorgen wegen der stark steigenden Fallzahlen. Sie habe zusammen mit Gesundheitsminister Alain Berset und Wirtschaftsminister Guy Parmelin die Kantone für kommenden Donnerstag zu einem Gipfeltreffen eingeladen, zitiert die Tageszeitung «Blick» die Bundespräsidentin.

Weitere Kantone vor Einführung der Maskenpflicht

In den kommenden Tagen dürften zudem weitere Kantone zur Eindämmung des Coronavirus die Maskenpflicht einführen. Davon geht Lukas Engelberger aus, Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK).

Eine Maskenpflicht gilt bislang in 12 Kantonen. Von einem Flickenteppich betreffend der Massnahmen in den Kantonen will Engelberger jedoch nicht sprechen. Viel eher sei es eine Vielfalt, die vor Ort die richtigen Massnahmen erlaube, wie er am Montagabend in der Sendung «10vor10» von Schweizer Radio und Fernsehen sagte. «Das Bild vereinheitlicht sich aber zusehends», sagte Engelberger.

«Die Schweiz hat keine Tradition als Überwachungsstaat»

Trotz der vielen Neuansteckungen mit dem Coronavirus ist das Contact Tracing in der Schweiz aus seiner Sicht nicht «allgemein überfordert». Über das Ganze gesehen funktioniere es, sagte Engelberger gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Die Kantone würden nicht hinterher hinken und erst reagieren, wenn grössere Fälle aufträten. Die Kantone seien zwar reaktiv, aber schnell genug. Sie hätten die Teams im Verlauf des Jahres zum Teil verzehnfacht.

In einzelnen Kantonen gebe es aber Engpässe, räumte Engelberger ein. Einige Kantone haben die Teams in den vergangenen Tag erneut aufgestockt. So etwa der Kanton Zürich von 50 auf 60 Personen. Auch das Team des Kantons Schaffhausen steht «nahe an der Kapazitätsgrenze», wie der Kanton am Montagabend auf seiner Website schrieb. Das Contact Tracing-Team wird durch zehn Zivilschutzdienstleistende unterstützt.

Die Herausforderung liege aber nicht nur bei der Anzahl Personen, die im Contact Tracing tätig seien, sagte Engelberger, sondern auch am System. «Die Schweiz hat keine Tradition als Überwachungsstaat». Das Ganze müsse zuerst aufgebaut werden.

(sda/gku)