Wer Genf besucht, muss als Kontrast einmal die Stadt verlassen. Er muss ins Hinterland fahren zu den Bauerndörfern in den immensen Rebfeldern. Gar nichts erinnert da an schweizerische Enge. Unversehens wähnt man sich in Frankreich und die Metropole weit weg.

Obligatorisch ist natürlich ein Restaurantbesuch. Sterne und Punkte finden sich auch im Grünen. «La Colombière» steht im Weiler Lully an der Strasse. Bei schönem Wetter ist draussen unter riesigen Platanen gedeckt. Drinnen dominieren warme Farbtöne – Gelb, Ocker, Rot. Ein zuvokommender Kellner in schwarzer Schürze, weissem Hemd und mit eleganter Krawatte weist zum Tisch. Chantal Lonati, die souveräne Chefin, bringt die grosse Speisekarte mit dem überschaubaren Angebot. In ihren Augen glänzt das Lächeln, welches das Restaurant als Leitspruch übernommen hat: «Le sourire dans l’assiette.» Das ist in der Tat kein leeres Versprechen.

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Das Essen beginnt mit kleinen, delikaten Cannelloni. In den hauchdünnen Teig sind grüne Spargeln und Brebis-Frischkäse eingewickelt. Danach wird ein Ei im Glas aufgetragen. Es garte dreieinhalb Stunden im Ofen. Das Weiss ist sanft gestockt, das Gelb noch flüssig. Mit den dazu gereichten gerösteten und mit Schweineschmalz bestrichenen Brotstängeln tunkt man die kleine Köstlichkeit auf und notiert vergnüglich die schwarzen Trüffelsplitter, die das Geschmackserlebnis vervollkommnen. Das saftige Stück vom Kabeljau lässt sich Schicht für Schicht aufblättern – derart perfekt ist der Garpunkt getroffen. Passend dazu die Artischockenwürfel und die Schnittlauchsauce. Langsam, aber unaufhaltsam steigt einem das Lächeln ins Gesicht. Es gefriert nicht nach dem Hauptgang: Kaninchenrücken mit Steinpilzen, gebratene Foie gras und feine Nüdeli. Das als Gewürz eingesetzte Pfefferkraut setzt den überraschenden Akzent. Imposant ist der Käsewagen, und es wird ihm auch von fast allen Gästen in der gefüllten Stube zugesprochen. Die mit einer Zuckercroque überzogenen, schmackhaften Erdbeeren auf einem Sorbet Fromage blanc verhelfen zu den süssen Wonnen des Desserts.

Chantal Lonati ist eine grosse Weinkennerin. Die Karte ist prächtig bestückt, auch mit den besten Schweizer Weinen. Noch mehr versteht sie vielleicht von der geglückten Mariage. Deshalb gibt man ihr mit Vorteil den Auftrag, das Menu glasweise zu begleiten. Die Aufforderung, sich auf Genfer Weine zu beschränken, nimmt sie als Verpflichtung. Besser lässt sich der bei uns leider wenig bekannte Weinkanton nicht kennen lernen.

Chantal führt die «Colombière» seit 1983 mit ihrem Mann Bernard. Mit seiner intelligenten, ganz auf die Reinheit des Geschmacks konzentrierten Küche trägt er entscheidend zum Gelingen bei. Ein Gespräch mit ihm gleicht einem Mäandern durch die Anforderungen einer senkrechten Berufsauffassung. Bedächtig spricht er und verfertigt dabei kluge Gedanken. Nichts ist ihm so zuwider wie Bluff und Überzeichnung. Auf die Karte kommt, was er zuvor penibel erprobt hat. Nach 20 Stunden bei tiefen Temperaturen hat er dem Rindshohrücken den besten Geschmack abgerungen. Bewusstheit heisst, zu wissen, was man macht. Gespür und Empirie stehen ihm dabei zur Seite. Der 52-jährige Koch ist auf der Höhe seines Könnens, gleichzeitig ahnt man, dass er an seiner Aufgabe noch weiter wachsen wird. Mit dem Lächeln der Glückseligkeit geht es schliesslich wieder in die Stadt zurück.

Restaurant La Colombière

Chantal und Bernard Lonati, Bernex GE, Tel. 022 757 10 27, www.colombiere.ch, samstags und sonntags geschlossen, Menu 110 Franken, Business Lunch 48 Franken, 16 «Gault Millau»-Punkte, 1 «Guide Michelin»-Stern.