Milliardärinnen pflegen gerne einen diskreten Lebenswandel, dies ist in Asien nicht anders als in der Schweiz. Doch ganz von der Bildfläche verschwinden tun die Superreichen in der Regel nicht – ausser wenn es chinesische Topmanager sind.

Denn: In China verschwinden bekannte Unternehmer spurlos, und niemand will die Gründe dafür kennen. Der jüngste Fall betrifft Milliardär Bao Fan. Seit Mitte Februar ist der Gründer und Mehrheitsbesitzer der Investmentbank China Renaissance nicht mehr gesehen worden, und selbst sein Unternehmen kann ihn nicht mehr kontaktieren.

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Jack Ma verschwand monatelang

Sein Verschwinden löst viele Fragen aus, und es weckt einen bösen Verdacht: Dass Bao Fan unauffindbar ist, hat politische Gründe. Denn es ist ein Muster zu erkennen. In den letzten Jahren sind immer wieder Wirtschaftslenker unauffindbar gewesen. Der prominenteste Name auf dieser wachsenden Liste ist Jack Ma.

Der Gründer des Internetgiganten Alibaba liess Ende 2020 monatelang nichts mehr von sich hören, nur um plötzlich wieder aufzutauchen – aus dem schillernden Tech-Zampano, der die Öffentlichkeit förmlich suchte, war ein schweigsamer und zurückhaltender Mann geworden. Milliardär Guo Guangchang, Mitgründer des Industriekonglomerats Fosun, ist ein anderer Fall. 2015 liess er tagelang nichts mehr von sich hören. Es sind nur zwei Beispiele aus einer merkwürdigen Serie.

Wer diese Vorfälle verstehen will, muss nach Peking blicken: Unter Ministerpräsident Xi Jinping hat der Staatsapparat seine Macht ausgebaut und die zuvor blühende Privatwirtschaft in die Schranken gewiesen. Besonders Tech-Mogule wie Jack Ma waren Peking offenbar zu mächtig geworden – zumal die Internetimpresarios sich immer selbstbewusster gaben, was in der Regierung viele nicht goutieren. Der Staatsapparat hat «Big Tech» zurechtgestutzt – mit handfesten Konsequenzen für einige dieser Tech-Lenker.

Die Interpretation liegt auf der Hand: Das unerklärliche Verschwinden prominenter Manager ist auch als Warnung an die anderen zu verstehen. Peking macht klar, dass, wer nicht spurt, in die Bredouille geraten kann. Diese Gängeleien des Staatsapparats vermischen sich mit der Anti-Korruptions-Kampagne, die Xi Jinping offiziell ausgerufen hatte.

Ein sonderbarer WTO-Botschafter in Genf

Der Investor aus China ist ein weltbekannter Krypto- und Blockchain-Unternehmer. Doch seine Leidenschaft gehört einem Diplomatenposten in Genf.

Bao Fan zog bei vielen Tech-Deals die Fäden

Wer ist nun dieser Bao Fan, der vermutlich auf die schwarze Liste geraten ist? Er ist ein Starbanker, der eine zentrale Rolle in Chinas Internetsektor spielte. Der 52-jährige Gründer und Mehrheitsbesitzer der Investmentbank China Renaissance – weltgewandt, Sohn von Diplomaten, in Norwegen ausgebildet – zog bei vielen grossen Deals die Fäden. So orchestrierte der ehemalige Credit-Suisse-Banker 2015 das Zusammengehen zweier Startups zur Fahrdienst-App Didi, zimmerte im gleichen Jahr den Deal zur Fusion des Essenslieferdienstes Meituan und der Restaurantsbewertungsfirma Dianping. Und auch die Beteiligung des E-Commerce-Konzerns Tencent am Internethändler JD.com fädelte Bao Fan ein.

Der Banker war eine öffentliche Figur und hielt mit seiner Meinung nicht zurück. Wobei auch er sich wie andere Wirtschaftsprominenz in letzter Zeit auffallend zurückhaltend gab. Die staatliche Einschüchterungstaktik schien Wirkung zu zeigen. Und vielleicht ahnte Bao Fan, dass ihm Schlimmes widerfahren könnte. Die «Financial Times» will wissen, dass der Milliardär im Begriff war, einen Teil seines Besitzes nach Singapur zu überführen. Der Stadtstaat gilt schon länger als Zufluchtsort für reiche Chinesinnen und Chinesen, die ihr Vermögen vor Peking in Sicherheit bringen wollen.

Zusammenhang mit einem Korruptionsskandal

Bao Fans Verschwinden ist mit den Ermittlungen gegen Cong Lin verknüpft. Cong Lin, der Präsident von Fans Bank China Renaissance, steht offiziell unter Korruptionsverdacht und gilt als in Gewahrsam der Behörden. Er soll laut chinesischen Medien in seiner früheren Rolle als Banker bei der Staatsbank ICBC Geld abgezweigt haben. Und was weiter zu lesen ist: Bao Fan soll Cong Lin aus Gefälligkeit zum Präsidenten seines Instituts gemacht haben, weil ihm dieser bei ICBC in zweifelhafter Weise behilflich gewesen sei. Bao Fan wird also in den Dunstkreis von Korruption gerückt.

Die tatsächlichen Gründe für Bao Fans Abtauchen werden vielleicht nie bekannt. Gut möglich, dass der Starbanker wieder Lebenszeichen von sich gibt.

Der Vorfall wird aber das angeschlagene Bild von China als Wirtschaftsstandort weiter beschädigen. Immer mehr westliche Investorinnen ziehen sich aus dem Land zurück, die Zeiten, als das Land ein Magnet für westliche Konzerne und Kapital war, sind vorbei. China unter Xi Jinping gilt als unberechenbares Pflaster, und dies nicht erst, seit das rabiate Vorgehen gegen das Coronavirus weltweit für Entgeisterung sorgte. Es ist ein Image, dass sich die Regierung, auf kräftiges Wirtschaftswachstum angewiesen, vermutlich gar nicht leisten kann.

(mbü)