Welche Veränderungen beobachten Sie seit den Zinserhöhungen der letzten Monate im Markt für private Liegenschaften?

Michelle Bachmann-Vetsch: Der Markt ist in Bewegung. Manche wirken verunsichert. Aber: wir kommen eigentlich nur vom Ausnahme- in den Normalzustand. Die Nachfrage ist weiterhin deutlich höher als das Angebot.

Oliver Bader: Wir nehmen keine starke Veränderung auf dem Immobilienmarkt wahr. Dies lässt sich unserer Auffassung nach auf die Stabilisierung der Zinssätze auf einem normalen Niveau zurückführen. Die aussergewöhnliche Phase mit den zu niedrigen Zinsen ist vorbei, wobei unser Finanzierungssystem auf die derzeitige Situation ausgerichtet ist. Die signifikantesten Veränderungen sehen wir bei preisgünstigen Immobilien, wo die Haushalte eine spürbare finanzielle Belastung erfahren. Im Vergleich dazu sind die Auswirkungen im Premiumsegment weniger ausgeprägt, da hier in der Regel eine höhere Eigenkapitalquote vorhanden ist.

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Claudio Baumann: Die gestiegenen Finanzierungskosten führen zu einer höheren Preissensibilität bei potenziellen Käufern, was einerseits den Entscheidungsprozess verlangsamt. Andererseits hat sich das Angebot an zum Verkauf stehenden Immobilien erhöht. In gewissen Regionen finden dadurch Preiskorrekturen statt.

Carlos Garcia: Die Absorptionsdauer für eine Liegenschaft ist länger, der Markt hat an Dynamik verloren. Der Interessent muss weniger unter Zeitdruck agieren. Objekte müssen marktgerecht angepriesen werden. Die Aufwendungen für den Makler sind je nach Objekt und Parameter entsprechend gestiegen.

David Hauptmann: Im oberen Marktsegment, das wir mit Nobilis vorwiegend betreuen, hat sich nicht viel verändert. Die meisten Kunden benötigen keine Finanzierung, und die Nachfrage hat sich auf einem hohen Niveau eingependelt, obwohl auch hier zunehmend versucht wird, den Preis zu verhandeln. Im mittleren und unteren Marktsegment ist die Nachfrage unter anderem aufgrund der Verteuerung der Finanzierung leicht zurückgegangen und das Angebot gestiegen – demnach steigen die Preise nicht mehr so rasant wie in den letzten Jahren. Insbesondere für junge Familien ist der Erwerb einer Immobilie leider schwieriger geworden.

Georges Luks: In der ersten Jahreshälfte 2023 herrschten noch Verunsicherung und Zuwarten seitens der Käufer, wie sich die Situation weiterentwickeln wird (Preise, Immobilienangebot usw.). In der zweiten Jahreshälfte sehen wir wieder mehr Bewegungen im Markt bezüglich Angebot und Nachfrage.

Marianne Walde: Seit den Zinserhöhungen der letzten Monate beobachten wir eine Verlangsamung in der Dynamik des Marktes. Die höheren Zinsen erhöhen die Finanzierungskosten und reduzieren die Kaufbereitschaft der Kunden. Einige potenzielle Käufer sind vorsichtiger geworden. Allerdings bleibt die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Immobilien an begehrten Lagen weiterhin hoch.

Warum wird in Immobilienanzeigen so oft «Preis auf Anfrage» genannt?

Bachmann-Vetsch: Man wünscht sich damit eine gewisse Diskretion. Aus meiner Sicht ist der Preis aber sehr zielgruppenbestimmend. Es sollte zumindest ein Hinweis auf das Investitionsvolumen bestehen. Ansonsten steigen die unqualifizierten Anfragen enorm, und die Diskretion nimmt somit gegenteilig ab.

Bader: Der Vermerk «Preis auf Anfrage» geniesst gelegentlich einen negativen Ruf, da er inflationär genutzt wird, oft um Fantasiepreise zu verbergen. Als seriöses Familienunternehmen verzichten wir wenn immer möglich darauf. Wir pflegen mit unserer Kundschaft eine offene und transparente Kommunikation. Dies kann zu einer tieferen Nachfrage-Quantität, aber einer höheren Qualität potenzieller Käufer führen. Trotzdem gibt es Fälle, wo es Sinn macht, den Verkaufspreis nicht zu veröffentlichen. Dies geschieht in Absprache mit den Eigentümern und dient oft dem Schutz vor öffentlicher Aufmerksamkeit.

Baumann: Gerade bei Luxusimmobilien mit hohen Verkaufspreisen möchten die Verkäufer oftmals aus Diskretionsgründen den Preis nicht öffentlich bekannt geben. In anderen Fällen wollen die Verkäufer zu Beginn nicht einen finalen Verkaufspreis festlegen und setzen daher den Preis auf Anfrage, um individuelle Verhandlungen bewusst zuzulassen und auf Marktschwankungen reagieren zu können.

Garcia: Fehlt die Frequenz bei einem Objekt, dient der «Preis auf Anfrage» als Instrument, um die Kontakte zu erhöhen. Bei sehr exklusiven Liegenschaften wird er eingesetzt, um die Interessenten zu selektionieren und ein Gespür für die Ernsthaftigkeit ihrer Anfrage zu erhalten – auch zum Schutz der Eigentümer.

Hauptmann: Das ist kein Marketingtrick oder Versuch, sich interessant zu machen. Es geht einzig und allein um Diskretion. Nachbarn sollen zum Beispiel nicht wissen, welchen Preis man für eine Liegenschaft verlangt oder bezahlt hat.

Luks: Im Wesentlichen aus Gründen der Diskretion respektive Wahrung der Privatsphäre der Verkäuferschaft.

Walde: Dieser Hinweis wird oft verwendet, um die Verhandlungsbasis flexibler zu gestalten und um ein breiteres Spektrum an potenziellen Käufern anzusprechen. Er ermöglicht uns auch, besser auf die individuellen Bedürfnisse und Möglichkeiten der Interessenten einzugehen. Zudem kann er in einigen Fällen dazu dienen, die Exklusivität einer Immobilie zu unterstreichen.

Warum gibt es nicht mehr Bieterverfahren im privaten Immobilienmarkt? Was sind die Pros und Contras aus Sicht eines Eigentümers?

Bachmann-Vetsch: Im Wohnmarkt sind Bieterverfahren oft gefürchtet und vor allem seitens der Interessenten nicht erwünscht. Viele haben unschöne Erfahrungen gemacht. Aus Eigentümersicht ist es augenscheinlich, dass man so den besten Preis erzielt. Bieterverfahren können aber auch für den Eigentümer unschön enden.

Bader: Eigentümer betrachten dieses Verfahren oft als schnellste Möglichkeit, den höchsten Preis für ihre Immobilie zu erzielen. Unsere Erfahrung hat ergeben, dass sich die Erfolgsgarantie mit etwa zwei Dritteln der Fälle in Grenzen hält. Da es hierzu keine rechtliche Grundlage in der Schweiz gibt, kann der Höchstbietende nicht verpflichtet werden, die Immobilie tatsächlich zu erwerben. Bei derartigen Verfahren kann zudem eine erhebliche Geldsumme im Spiel sein, was das Risiko von Korruptionsfällen erhöht. Aus diesem Grund ist es wichtig, von wem und vor allem wie dieses Verfahren durchgeführt wird. Wir setzen das Bieterverfahren nur in Fällen ein, in denen wir ein besseres Verkaufsresultat erwarten. Dieser Prozess wird von unserer Geschäftsleitung mit Hilfe eigens entwickelter Tools durchgeführt. Somit gewährleisten wir ein Höchstmass an Sicherheit, Transparenz, Effizienz und Integrität während des gesamten Verfahrens.

Baumann: Das Bieterverfahren kann zu einem höheren Verkaufspreis führen, da Käufer im Wettbewerb stehen und möglicherweise bereit sind, über den Marktwert zu bieten. Es besteht jedoch eine Unsicherheit über den endgültigen Verkaufspreis. Bieterverfahren führen bei potenziellen Käufern oft zu Enttäuschungen und Frustration, wenn das Angebot nicht hoch genug war. Der Aufwand für die Käufer ist ebenfalls nicht zu unterschätzen, da jeweils ein Finanzierungsnachweis einer Bank gefordert wird.

Garcia: Bieterverfahren können für gefragte Lagen oder bei Liebhaberobjekten die Preiserwartungen der Eigentümer übertreffen. Für die Interessenten ist das Bieterverfahren aber ein eher anspruchsvoller Prozess, der oft nicht zum Zuschlag führt, sich demotivierend auswirkt und zu Rückzügen führt.

Hauptmann: Bei einem Bieterverfahren wird der Kaufpreis direkt von den Kaufinteressenten entschieden. Aus unserer Sicht ist dies wenig interessant. Eine Kaufentscheidung wird oft nicht auf die Schnelle gefällt – eine längere individuelle Betreuung der jeweiligen Kunden ist notwendig. Für Luxusimmobilien gibt es meist eine begrenzte Anzahl von Interessenten, und ein offizielles Bieterverfahren macht deshalb auch keinen Sinn. Oft überbieten sich zwei interessierte Parteien im Endspurt, sodass dennoch ein «stilles» Bieterverfahren stattfindet – deshalb ist es wichtig, den freien Markt spielen zu lassen.

Luks: Die Vorteile: Allenfalls kann ein höherer Kaufpreis erzielt werden. Die Nachteile: Unter Umständen wird ein langwieriger Prozess in Gang gesetzt. Gewisse Käufer machen aus Prinzip nicht mit, wodurch der Eigentümer von Anfang an potenzielle Käufer verliert. Auch beteiligen sich viele Kaufinteressenten nicht an einem Bieterverfahren, weil der Prozess sehr intransparent ist.

Walde: Bieterverfahren können zu einem höheren Endpreis für die Immobilie führen, da sie potenziell einen Wettbewerb zwischen den Käufern schaffen, und sie können den Verkaufsprozess beschleunigen. Allerdings bringen sie auch Nachteile mit sich, wie die mögliche Abschreckung von potenziellen Käufern, die nicht in einen Bieterwettbewerb eintreten möchten, sowie eine mögliche Komplexität im Verkaufsprozess. Aus Sicht eines Eigentümers könnte es bedeuten, dass sie einen schnellen Verkauf und einen guten Preis erzielen, aber gleichzeitig riskieren, potenzielle Käufer zu verlieren.

Welches ist aus Ihrer Sicht im Moment das Thema, das in Zusammenhang mit Privatimmobilien zu wenig Aufmerksamkeit erhält?

Bachmann-Vetsch: Oft wird vergessen, dass bei einem Verkauf eine professionelle Vermarktung eine hohe Wichtigkeit geniesst – gerade wenn der Markt im Wandel ist. Zudem ist eine fundierte Bewertung absolut unerlässlich.

Bader: Unsere oberste Priorität liegt auf dem Wohlergehen der Menschen. Wir erkennen die erheblichen Herausforderungen, vor denen zum Beispiel junge Familien stehen, wenn sie in einer entscheidenden Lebensphase den Traum vom Eigenheim verwirklichen möchten. Die steigenden Immobilienpreise im Verhältnis zu stagnierenden Einkommen erschweren diesen Prozess erheblich. Daher setzen wir uns aktiv dafür ein, nachhaltige Lösungen in einem herausfordernden Finanzierungssystem zu finden und junge Familien auf ihrem Weg zum Wohneigentum zu unterstützen.

Baumann: Das Einlegen von Einsprachen gegen Bauvorhaben hat sich leider zu einer gängigen Praxis entwickelt. Auch wenn sich die vorgebrachten Argumente als unbegründet erweisen und die Einsprachen abgewiesen werden, entstehen durch die Verzögerungen teils erhebliche Kosten für private Bauherren. Es braucht Massnahmen, um diesem Trend entgegenzuwirken.

Garcia: Die marktgerechte Ansiedlung der Verkaufspreise – ein wichtiger Schritt nach dieser sehr dynamischen Zeit. Dazu benötigt es entsprechende Markterfahrung, eine fundierte Analyse, den Einsatz von entsprechenden Tools sowie eine gute und seriöse Beratung.

Hauptmann: Die Alleinstellungsmerkmale und die Einzigartigkeit einer Immobilie werden bei den Kaufentscheidungen noch immer nicht genügend berücksichtigt. Für die langfristige Werterhaltung ist es vorteilhaft, wenn eine Liegenschaft viele Besonderheiten technischer, architektonischer und künstlerischer Art aufweist, wie es etwa bei aussergewöhnlichen historischen Anwesen oder anspruchsvoller moderner Architektur der Fall ist. Bei Liegenschaften geht es nämlich nicht nur um materielle, sondern auch um immaterielle Werte. Solche Objekte bezeichnen wir als «Liebenschaft»: Sie geben etwas zurück, nämlich Genuss, Erkenntnisgewinn und Prestige.

Luks: Das Thema Nachhaltigkeit, da die Energieeffizienz von Immobilien langfristig in einem direkten Zusammenhang mit der Attraktivität im Markt und der Werthaltigkeit steht.

Walde: Momentan wird das Thema der Reduzierung von Bürokratie und der Optimierung gesetzlicher Rahmenbedingungen im Immobiliensektor etwas vernachlässigt. Es ist entscheidend, dass Politik und Gesellschaft zusammenarbeiten, um die Bauprozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen, indem Rekursmöglichkeiten minimiert und bessere Bedingungen für Bauvorhaben geschaffen werden.

Dieser Artikel erschien bei «Homes – Das Magazin für Wohnen und Immobilien».