Die Funkstille ist vorbei, es wird wieder politisiert in der Schweiz. Das Parlament nimmt seine Tätigkeit wieder auf, die Parteipräsidenten kommen aus der Deckung, Politikerinnen und Wirtschaftsführer kritisieren, der Bundesrat fokussiere zu einseitig auf die Gesundheit der Bevölkerung und vernachlässige die wirtschaftlichen Konsequenzen des Lockdowns.

Gut so. Die demokratische Debatte ist wichtig in Zeiten wie diesen. Sie sorgt dafür, dass möglichst viele Stimmen gehört werden und dass sich Perspektiven auftun, die sonst verschlossen blieben.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Das Infektionsgeschehen muss unter Kontrolle bleiben

Trotzdem macht es stutzig, wenn Politiker nun mit pfannenfertigen Plänen aufwarten, wie die Schweiz aus dem Lockdown zu holen sei. Denn dafür fehlen die wissenschaftlichen Grundlagen. Wie gefährlich ist das Virus wirklich für die verschiedenen Altersgruppen? Welche Vorerkrankungen spielen eine Rolle?

Ist, wer sich einmal mit dem neuen Coronavirus Sars-CoV-2 infiziert hat, tatsächlich immun – und wenn ja: Wie lange hält der Schutz gegen eine zweite Infektion an? Wie viele haben sich in der Schweiz bereits mit dem Sars-CoV-2 infiziert?

Wie gut wirken die Medikamente, die für die Behandlung der an Covid-19 erkrankten Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen? All diese Fragen sind erst vorläufig beantwortet. Und daran wird sich so schnell auch nichts ändern.

Oberstes Ziel muss sein, das Infektionsgeschehen auch nach dem Lockdown weiter unter Kontrolle zu behalten. Der Weg dahin führt über eine sukzessive Öffnung – in Kombination mit weiteren Massnahmen wie einer Pflicht, im öffentlichen Raum Masken zu tragen, und einem zuverlässigen Tracing-System, das es möglich macht, neue Infektionsherde frühzeitig zu erkennen und die Infektionsketten zu durchbrechen.

Vermeintlich einfache Vorschläge wie derjenige, Risikogruppen sollten sich doch einfach isolieren und der Rest der Bevölkerung solle die Infektion doch einfach durchmachen, sind nicht nur ethisch verwerflich; sie sind auch mit unkalkulierbaren Risiken verbunden. Wer soll etwa die Gesundheitsversorgung aufrechterhalten, wenn Ärztinnen und Pflegende im grossen Stil krank werden?

Ein volkswirtschaftliches Desaster

Zudem würden solche Schnellschüsse mit grösster Wahrscheinlichkeit zu einem zweiten Lockdown führen. Denn keine demokratisch gewählte Regierung wird tatenlos zusehen können, wie Patientinnen und Patienten in den Fluren von Spitälern sterben, weil sie nicht mehr versorgt werden können – und das ist auch richtig so.

Ein zweiter Lockdown – das ist das Szenario, das es um jeden Preis zu vermeiden gilt. Nicht nur, weil der Weg dahin zu viele Opfer fordern würde; er wäre auch volkswirtschaftlich ein Desaster.

Das aber kann nur gelingen, wenn alle Lockerungen so weit wie möglich wissenschaftlich basiert sind. Denn eines ist klar: Hätte die Wissenschaft schon Anfang Jahr Gehör gefunden, so wäre uns vieles erspart geblieben.