Die auf zwei Jahre angelegte Umverteilung von Flüchtlingen aus Italien und Griechenland auf andere EU-Staaten läuft offiziell am Dienstag aus. Zwar hat sich die Situation gegenüber 2015 entschärft und es müssen weniger Menschen umverteilt werden. Trotzdem fällt die Bilanz dürftig aus.

Die EU-Kommission sehe das Umverteilungsprogramm als «Erfolg» an, sagte am Montagmittag eine Sprecherin der Brüsseler Behörde. So sei die Zahl an Flüchtlingen in Griechenland seit dem Inkrafttreten des EU-Türkei-Flüchtlingspakts um 97 Prozent zurückgegangen. Damit stünden auch weniger Personen für die Umverteilung (Relocation) zur Verfügung. In Italien kämen weniger Menschen an, welche die Kriterien für die Umverteilung erfüllten, sagte sie weiter.

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29'000 Asylsuchende umverteilt

Positiv ist laut einem Communiqué der Brüsseler Behörde auch die «deutliche Beschleunigung der Umverteilungen». Seit Februar 2017 seien monatlich im Durchschnitt 2300 Personen umverteilt worden.

Doch Fakt ist, dass in den vergangenen zwei Jahren laut neusten Zahlen der EU-Kommission gerade mal rund 29'000 Asylsuchende umverteilt wurden. Zwar wurde aufgrund des EU-Türkei-Deals ein Teil der insgesamt 160'000 Umverteilungen auf die Türkei umgeschichtet, so dass heute nur noch 98'000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland umverteilt werden sollen, trotzdem fällt die Bilanz immer noch dürftig aus.

Schweiz übernimmt 1500 Flüchtlinge

Auch die Schweiz hatte sich auf dem Hoch der Flüchtlingskrise bereit erklärt, sich mit der Übernahme von 1500 Schutzsuchende an der von den EU-Staaten beschlossene Umverteilung von insgesamt 160'000 Flüchtlingen zu beteiligen. Die Schweiz werde ihre «Zusage bis Ende Jahr einhalten», versicherte Bundesrätin Simonetta Sommaruga kürzlich in Brüssel.

Aktuell sei die Umsiedlung durch die Schweiz aber noch nicht vollständig umgesetzt, schrieb das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.

16 Personen bekommen kein Asyl

Bis jetzt sind auf diesem Weg laut SEM 1175 Menschen in die Schweiz gekommen – 828 aus Italien und 347 aus Griechenland. Die Asylsuchenden stammen «hauptsächlich aus Syrien und Eritrea, aber auch aus dem Irak und vereinzelt aus der Zentralafrikanischen Republik».

Sie durchlaufen nach ihrer Einreise das normale Asylverfahren. Bis Ende August 2017 sei für 163 Personen ein Asylentscheid gefällt worden, schreibt das SEM weiter. «Davon haben 16 Personen einen negativen Asylentscheid mit Wegweisung aus der Schweiz erhalten.»

Klage gegen Umverteilung am EuGH

Begonnen hatte die Diskussion um die Umverteilung im Sommer 2015, als mehrere Zehntausend Flüchtlinge nach Europa flohen. Damals hatten die EU-Staaten beschlossen, zuerst 40'000, dann 120'000 Flüchtlinge innerhalb von zwei Jahren umzuverteilen. Die Schweiz beteiligte sich freiwillig mit der Übernahme von 1500 Asylsuchenden an diesem Programm.

Als es dann Anfang Oktober soweit war und die ersten 19 Flüchtlinge ihre Reise von Italien nach Schweden antreten konnte, sprach der damalige italienische Innenminister Angelino Alfano von einem «Sieg eines solidarischen Europas».


Doch die Flüchtlings-Umverteilung war gegen den Willen von Rumänien, Tschechien, Slowakei und Ungarn beschlossen worden. Daher hatten Ungarn und die Slowakei gegen den Entscheid vor dem EU-Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg geklagt. Dieser erklärte nun vor kurzem in einem Urteil die Umverteilung für rechtens.

Regierung in Polen verweigert Aufnahme

Trotzdem weigert sich die ungarische Regierung noch immer, sich an der Umverteilung zu beteiligen. Das Land hat bis jetzt noch keinen einzigen Flüchtling übernommen. Man wolle weiter gegen den Entscheid kämpfen und alle rechtlichen und politischen Mittel ausschöpfen, hiess es kürzlich aus Budapest.

Ebenso Polen: Das Land hat ebenfalls noch keinen Asylsuchenden übernommen. Zwar hatte 2015 die damalige Regierung Ja zur Umverteilung gesagt, doch die amtierende nationalkonservative polnische Regierung will davon nichts mehr wissen – aus Sicherheitsgründen, wie es aus Warschau heisst. Und die Tschechische Republik hat seit über einem Jahr keine Schutzbedürftigen mehr übernommen.

Doch auch bei jene Staaten, welche die Umverteilung befürworteten, hält sich die Motivation in Grenzen. Die Niederlande beispielsweise müssen gemäss dem Verteilschlüssel 5947 Flüchtlinge übernehmen. Nach zwei Jahren sind erst 2442 dort angekommen. Bulgarien hat von 1302 Flüchtlingen gerade Mal 50 übernommen und Frankreich von 19'714 erst 4468.

Angst vor negativen Reaktionen

Viele Regierungen fürchten sich wohl vor den negativen Reaktionen aus der Bevölkerung, denn mit der Übernahme von Flüchtlingen kann keiner politisch punkten – im Gegenteil: So profilieren sich Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban und seine polnische Amtskollegin Beata Szydlo explizit mit ihrer Anti-Flüchtlings-Politik.

Und in Österreich macht der konservative Aussenminister Sebastian Kurz Wahlkampf mit einer harten Haltung gegen Flüchtlinge. Er hofft, am 15. Oktober die nationalen Wahlen zu gewinnen und Kanzler zu werden.

Obwohl das Programm am (morgigen) Dienstag nun ausläuft, rechnet die EU-Kommission damit, dass noch etwa 10'000 weitere Menschen umverteilt werden. Denn Flüchtlinge, die sich bis zum Stichtag in Italien oder Griechenland einfinden, können auch noch später umverteilt werden. Die Finanzierung seitens der EU-Kommission sei weiterhin garantiert. Daher müssten die Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen weiter erfüllen, appellierte die Kommissionssprecherin an die Solidarität der EU-Staaten.

(sda/me)