Der Schweizer Wohnungsmarkt ist, vor allem in den Städten, historisch angespannt. Die Leerwohnungsziffer im Kanton Zürich lag diesen Sommer bei nur 0,48 Prozent – wie in vielen Städten also de facto eine Vollauslastung. Wer heute eine Wohnung sucht, findet in den Ballungszentren kaum etwas. Dieser Engpass trifft längst nicht mehr nur die tiefen Einkommen, sondern vor allem auch die Mittelschicht, Studierende und Unternehmen, die Fachkräfte anziehen wollen.
In dieser Situation wird oft nach staatlichen Eingriffen gerufen. Eine aktuelle Idee ist das Vorkaufsrecht für Gemeinden: Wenn eine Liegenschaft den Besitzer wechselt, soll die öffentliche Hand zuerst zugreifen können, um günstigen Wohnraum zu schaffen. In Zürich kommt die Initiative im November an die Urne, und in manchen Kantonen ist ein solches Recht bereits eingeführt. Doch die Praxis ist ernüchternd: In Genf wurde es kaum angewendet, in Lausanne zwar häufiger – doch an der angespannten Marktlage änderte es nichts. Ein Vorkaufsrecht setzt nämlich am falschen Punkt an. Es schafft keine einzige neue Wohnung, sondern verschiebt lediglich Eigentum.
Die Ursachen für die Wohnungsnot sind deutlich komplexer. Einer der wichtigsten Treiber ist neben der Zuwanderung die Veränderung der Haushaltsstrukturen: Immer mehr Menschen leben allein, ältere Menschen verbleiben länger in zu grossen Wohnungen. Parallel dazu hält das Neubauvolumen nicht mit. Bauland ist knapp, Bauzonenreserven sind kleinräumig zerstückelt und nicht dort, wo die Nachfrage am grössten ist.
Erschwerend hinzu kommen die langen Bewilligungsverfahren und die Vielzahl an Einsprachen, die selbst gut geplante Projekte über Jahre blockieren können. Währenddessen steigen die Baukosten, nicht zuletzt durch Fachkräftemangel und höhere Materialpreise. Investitionen werden damit weniger attraktiv, vor allem wenn gleichzeitig Mietregulierungen den Spielraum zusätzlich einschränken. Und dort, wo Verdichtung sinnvoll wäre, regt sich oft lokaler Widerstand. All das bremst das Angebot aus, während die Nachfrage weiter steigt.
Die Gastautorin
Jamie Vrijhof-Droese ist Unternehmerin, Verwaltungsrätin, Referentin und Autorin. Sie ist Managing Partner von WHVP, einem Vermögensverwalter mit Fokus auf US-Kundinnen und -Kunden.
Ein Vorkaufsrecht kann diese strukturellen Probleme nicht lösen. Im Gegenteil: Es schafft neue Unsicherheiten. Wer investiert noch in Bauprojekte, wenn jederzeit die Gefahr besteht, dass die öffentliche Hand einen Kaufprozess blockiert oder übernimmt? Planungsrisiken steigen, Investoren ziehen sich zurück, Projekte werden verschoben. Damit reduziert sich das Angebot – und die Wohnungen werden noch teurer. Zudem bindet der Staat mit solchen Käufen enorme Summen an Steuergeldern, die dann für Schulen, Infrastruktur oder Digitalisierung fehlen.
Wenn wir die Wohnungsnot wirklich entschärfen wollen, müssen wir an den Bremsklötzen ansetzen. Bewilligungsverfahren gehören beschleunigt, Zonenpläne modernisiert, Verdichtung soll einfacher und akzeptierter werden. Private Investitionen brauchen verlässliche Rahmenbedingungen statt neuer Hürden. Zielgerichtete Förderung kann dort helfen, wo der Markt versagt – aber nicht mit symbolischen Eingriffen, die nur Rechtsunsicherheit schaffen.
Die Schweiz ist erfolgreich, weil sie Eigentumsrechte schützt, auf Eigeninitiative setzt und Investitionen ermöglicht. Wenn wir diesen Weg verlassen, gefährden wir unser Fundament. Wohnraum entsteht nicht durch das Umverteilen bestehender Häuser, sondern durch Bauen. Wer es ernst meint mit bezahlbarem Wohnen, muss den Mut haben, die eigentlichen Hindernisse aus dem Weg zu räumen – und die Entstehung neuer Wohnungen beschleunigen.