Männliche Führungskräfte engagieren sich für Gleichstellung aus Gründen der Fairness. Mit 93 Prozent erfährt dieser Motivationsgrund mit die höchste Zustimmung der rund 1200 Führungspersonen, die sich an der Umfrage der Universität St. Gallen zum Thema Gleichstellungsengagement männlicher Führungskräfte beteiligt haben.

Dieses sehr erfreuliche Ergebnis zeigt, dass der momentane Status quo in den Unternehmen als ungerecht empfunden wird. Das heisst, die anhaltende Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen wird anscheinend nicht länger als Selbstverständlichkeit angesehen. Fairness wird dementsprechend eingefordert.

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Eigenschutz in der Debatte

Die erwähnte Umfrage zeigt, dass die meisten Männer der Meinung sind, dass sie genau dem bereits nachkommen: 62 Prozent gaben beispielsweise an, dass sie darauf achten würden, keine Bemerkungen zu machen, die Frauen abwerten oder nicht ernst nehmen – und sei es unbeabsichtigt.

Weitere 34 Prozent können sich vorstellen, darauf zu achten. Schwieriger wird es hingegen, wenn es darum geht, Fairness einzufordern, das heisst, zu intervenieren, wenn Frauen ungerecht, unangemessen oder unanständig behandelt werden.

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  • Projekt: Die «Handelszeitung» und die Universität St. Gallen haben ein Forschungsprojekt zum Thema Diversität in der Schweizer Wirtschaft gestartet. Diskutieren Sie auch auf Social Media mit – und folgen Sie unserem Projekt auf Linkedin (linkedin.com/company/leaders-for-equality) und Twitter (twitter.com/LeadersEquality). Das Gesamtprojekt «Leaders for Equality» steht unter der Leitung von Julia Nentwich und Gabriele Schambach von der Uni St. Gallen. Unterstützt wird es vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann. In Partnerschaft mit der Schweizer Kader Organisation (SKO) und der «Handelszeitung» berichten sie an dieser Stelle monatlich über die im Projekt gewonnenen neuen Erkenntnisse und Erfahrungen.
     
  • Engagement: Die «Handelszeitung» unterstützt «Leaders for Equality» im Rahmen ihres Engagements für das Equal-Voice-Projekt des Medienkonzerns Ringier. Ziel ist, den Frauen in der Medienberichterstattung die gleiche Stimme zu geben wie Männern. Die Medientitel der Ringier-Gruppe und damit auch die «Handelszeitung» messen daher den Frauenanteil in ihren Artikeln seit längerer Zeit mittels KI. Gleichzeitig will die «Handelszeitung» ihren Leserinnen und Lesern praktische Tools und Anregungen zu mehr Diversität in ihren Unternehmen liefern.

Zwar stellt sich laut Selbstauskunft noch die Hälfte der männlichen Führungskräfte hinter ihre Mitarbeiterinnen und Kolleginnen, wenn deren Kompetenzen übergangen, missachtet oder infrage gestellt werden.

Aber nicht einmal jeder Zweite spricht seine männlichen Kollegen, Mitarbeiter oder Vorgesetzte an, wenn sie Bemerkungen machen, die Frauen abwerten, sexistisch oder frauenfeindlich sind. Die meisten Frauen kennen die Situationen, besonders wenn sie in Runden mit mehrheitlich Männern sind: ein zotiger Witz, eine Bemerkung über die Knöpfe an der Bluse, die Frage, ob die Diskussion nicht zu technisch sei.

Tausendfach in dieser oder ähnlicher Form erlebt, wollen Frauen sich häufig nicht wehren – paradoxerweise aus Eigenschutz. Denn tun sie es doch, werden sie schnell als hysterisch, überempfindlich oder humorlos bezeichnet.

Jedenfalls werden ihre Bedürfnisse nach fairer Behandlung nicht berücksichtigt – und sie laufen Gefahr, den Respekt und das Standing in der Gruppe als Fach- und Führungskraft zu verlieren. Also lächeln sie freundlich, schweigen und machen die Faust im Sack.

Oft entsteht der Bystander-Effekt, den man von Unfällen her kennt.

Wenn sich aber niemand beschwert, müssen übergriffige Männer ihr Verhalten nicht reflektieren und hinterfragen. Und so bleibt alles beim Alten. Nun gibt es ja eine ganze Menge von Männern, die unfaires oder abwertendes Verhalten ebenfalls stört. Aber auch wenn sie selbst auf ihr Verhalten achten, intervenieren sie nicht in gleichem Masse. Warum nicht?

Hier kommt der sogenannte Bystander- oder Zuschauer-Effekt zum Tragen. Den meisten ist dieser Effekt von Unfällen oder Überfällen her bekannt: Je mehr Menschen um das Opfer herumstehen, umso unwahrscheinlich ist es, dass jemand eingreift oder hilft.

Übertragen auf die erwähnte Meetingrunde bedeutet das: Ein einzelner Mann, der ein frauenabwertendes Verhalten ablehnt, interveniert in einer solchen Situation nicht. Und zwar aus einem vergleichbaren Grund wie die betroffenen Frauen: Sie fürchten, diskreditiert zu werden.

Dialoge etablieren

Für mehr Fairness müssen Verbündete gefunden werden. Es ist einfacher, sich nach einem solchen Meeting in Zweiergesprächen unter Männern über die Situation auszutauschen, um herauszufinden, wer diese ebenfalls als unpassend erlebt hat. Gemeinsam kann dann ein Gespräch mit dem betreffenden Kollegen erfolgen, um dann bei der nächsten Sitzung gemeinsam zu intervenieren.

Hilfreich ist auch, in der Firma zum Beispiel «Geschlechterdialoge» zu initiieren. Bei diesen Anlässen tauschen sich weibliche und männliche Angestellte über die von ihnen erlebten unfairen Situationen aus und teilen sich mit, was sie unter fairem und wertschätzendem Umgang miteinander verstehen.

Dadurch wird unangebrachtes Verhalten definiert und sichtbar. Und mit gemeinsam vereinbarten Veränderungen entsteht Fairness – die alle ganz einfach einfordern und für die es dann auch einfach wird, einstehen zu können.