Als Apple im September die neuen Airpods 3 präsentierte, war die Begeisterung gross, unter anderem wegen der Live-Übersetzungsfunktion. Doch während die Funktion in der Schweiz bereits verfügbar ist, bleibt sie in der EU blockiert. Erst im Dezember 2025 wird ihr Roll-out in der EU erwartet. Grund für die Verzögerung sind regulatorische Anforderungen bezüglich Datenschutz, KI und Marktinteroperabilität. Das Beispiel zeigt, wie stark die europäische Regulierung inzwischen um sich greift und welche Folgen das letztlich für die Konsumentinnen und Konsumenten hat.
In den vergangenen fünf Jahren hat die EU eine kaum mehr überschaubare Zahl neuer Digitalgesetze geschaffen: Datenschutz-, Daten-, Plattform-, KI-, Cyber- und Marktvorschriften sowie zu jedem Bereich Meldepflichten und Haftungsregeln. Das Ziel war, den digitalen Wandel zu regulieren und europäische Werte zu schützen. Das Resultat ist ein hochkomplexer Flickenteppich, der selbst in Brüssel niemanden mehr wirklich glücklich macht. Nun versucht die Kommission mit mehreren «Omnibus-Paketen», das Regulierungswirrwarr zu entflechten und für Unternehmen, insbesondere für KMU, wieder handhabbar zu machen.
Der Autor
David Stauffacher ist Projektleiter Infrastruktur und Digitales bei Economiesuisse, dem Dachverband der Schweizer Wirtschaft.
Der Schritt ist richtig, kommt aber spät. Start-ups und innovative Mittelständler klagen seit Jahren über die Belastung durch widersprüchliche Auflagen und Doppelspurigkeit. Sie verlieren wertvolle Zeit mit Compliance-Prozessen statt mit Entwicklung. Immer mehr junge Firmen ziehen ins Nicht-EU-Ausland, unter anderem in die Schweiz. Das ist kein Zufall: Die Schweiz reguliert bis anhin gezielter, prüft sorgfältiger und setzt stärker auf Eigenverantwortung und Technologieneutralität.
Gerade jetzt eröffnet sich daraus eine historische Chance, sich als Vorreiter in der Digitalisierung zu positionieren. Wenn wir unseren bewährten Weg mit stabilen Rahmenbedingungen, offenem Markt und einer klugen Förderung von Forschung und Talenten fortsetzen, kann die Schweiz zu einem globalen Zentrum für künstliche Intelligenz und digitale Innovation werden. Auch das internationale Genf kann bei dieser Positionierung eine starke Rolle spielen, nicht zuletzt mit dem vom Bundesrat für 2027 geplanten KI-Gipfel. Unsere Hochschulen und Fachhochschulen bilden die Expertinnen und Experten aus, die Unternehmen dringend suchen. Sie wollen hierbleiben, aber nur, wenn die Rahmenbedingungen weiterhin stimmen.
Dazu braucht es Besonnenheit in Verwaltung und Politik. Überhastete Vorstösse im Parlament, eine Vernehmlassungsvorlage, die eine Pflicht zum Einbau von Hintertüren in Kommunikationssoftware vorsehen, wie bei der Revision der Vüpf, senden Signale – sowohl an die heimische Tech-Industrie als auch ins Ausland. Und diese Signale verunsichern. Das ist der Innovation nicht zuträglich. Statt reflexartig neue Digitalgesetze zu fordern, sollten Bund und Verwaltung zuerst prüfen, ob die bestehenden Regelungen nicht genügen. Die Schweiz, die im IMD-Ranking 2024 beim «Regulatory Framework» den zweiten Platz belegt hat, tut gut daran, ihren schlanken und pragmatischen Weg konsequent fortzusetzen.
Die Welt von heute ist längst digital, und die von morgen wird es noch stärker sein. Wenn ausgerechnet das Land, das Jahr für Jahr als innovativstes der Welt gekürt wird, sich selbst mit regulatorischen Hürden bremst, wird ihm dieser Spitzenplatz unweigerlich streitig gemacht. Das gefährdet den Wohlstand und die Stärke des Standorts Schweiz, die über Generationen aufgebaut wurden, und es wäre ein Versäumnis gegenüber den Generationen, die darauf aufbauen wollen.

