Die Liste der Betroffenen entspricht dem Who's Who der Autoindustrie: Honda, Audi, VW, Daimler, Ford, Renault, Nissan, Subaru, Toyota – sie alle meldeten in den letzten Wochen, dass sie Werke herunterfahren oder gar schliessen mussten und Fabrikarbeiter nach Hause schickten. Der Grund: Chips. Die Hersteller haben nicht genügend Halbleiter, um sie in die Autos hineinzubauen.

So schilderte es beispielsweise Audi-Chef Markus Duesmann in der «Financial Times»: Wegen des Chip-Engpasses könne sein Unternehmen in den ersten drei Monaten 2021 gegen 10'000 Autos nicht vom Fliessband lassen. 10'000 Arbeiter muss Audi deshalb auf Kurzarbeit stellen.

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Im ganzen VW-Konzern dürften gegen 100'000 Autos wegen der fehlenden Chips auf die Warteliste gelangen.

Das Planungsproblem

Hier zeigt sich einerseits ein Planungsproblem: Nach dem Lockdown-Rückschlag des Jahres 2020 strichen die Automobilkonzerne ihre Bestellungen bei den Chip-Lieferanten zusammen. Inzwischen aber kam es bekanntlich anders – die Nachfrage für die erste Jahreshälfte liegt nun doch deutlich höher, als es die Automobil-Manager vor einigen Monaten noch befürchtet hatten.

«Der Engpass zeigt, wie sich ein Problem über den Globus ausbreiten kann und – ähnlich einem Virus – eine Branche nach der anderen befällt.»

Zugleich werden mit jedem neuen Auto-Modell mehr Chips benötigt. Denn gerade die Fahrzeugindustrie wird bekanntlich mehr und mehr zur Herstellerin von vierrädrigen Computern: Auch das treibt die Nachfrage.

Doch die Automobilindustrie steht mit ihren Chips-Nöten nicht alleine da: In der Notlage zeigt sich ganz allgemein, wie sich ein Problem über den Globus verbreiten kann; und wie es – quasi virenähnlich – eine Branche nach der anderen befällt. So melden auch Zulieferer-Konzerne wie Continental und Bosch, dass sie Probleme haben, ihren Chips-Bedarf zu füllen.

Mehr Lockdown heisst mehr Computer 

Denn sie alle spüren auch indirekte Konkurrenz: Die Lockdown-Lage führt dazu, dass sich Gamekonsolen- oder Haushalts-PC-Hersteller über eine überraschend steigende Nachfrage freuen dürfen. Was auch auf dieser Seite den Bedarf an Chips nach oben treibt. 

Die Halbleiter-Hersteller haben zwar ein Interesse, den Bedarf zu befriedigen und ihre Produktion rasch zu steigern. Doch dies hat zuerst einmal zur Folge, dass sie ihre Bestellungen bei den Silizium-Giessereien hochschrauben: Diese «Foundries» stellen die Rohware für die grossen Chip-Spezialisten her; und bei ihnen ist nun vollends ein Nadelöhr entstanden. Da die wichtigsten Foundries einen Teil der Produktion direkt und auf eigene Rechnung verkaufen, während sie andere Chips an Grosskunden liefern, wird es vor allem für Letztere eng. 

Mehr Umweltschutz = weniger Silizium

Was das Problem noch verschärft: Der Nachschub an Silizium stockt ebenfalls. Und das insbesondere aus dem mit Abstand wichtigsten Produzentenland – China. Ein Grund: Die chinesischen Behörden schlossen in den letzten Jahren mehrere Fabriken, weil diese die Umweltauflagen nicht einhalten konnten. Es ist ein Phänomen, das auch die Solarindustrie trifft.

Und so trifft der Mangel am Ende die Hersteller von Grafikkarten genauso wie die Medizinaltechnik-Spezialisten oder die Bauer von schweren Lastwagen.

Viele Konzerne auf der zweiten Stufe hoffen nun, dass sich die Lage nach einer Vorlaufzeit von gut einem halben Jahr entspannen wird. Doch das grundlegende Missverhältnis könnte noch lange bestehen bleiben.

Der Chef des Innovationszentrums für New-Energy-Autos von China, Yuan Chengyin, wies dieser Tage in einem Interview mit der Wirtschaftsagentur «Bloomberg» darauf hin: Gewiss, die Misslichkeiten wegen Lockdowns und Fehleinschätzungen liessen sich ja wieder lösen, so der Experte. Aber die steigende Nachfrage der E-Autoindustrie werde den Druck auf den Chip-Markt noch viele Jahre lang aufrecht erhalten.

Die Folge: Gute Aussichten für Chip-Aktien

Die Aktienrally bei Halbleiteraktien findet 2021 seine Fortsetzung. Diese haben gemessen am Philadelphia Semiconductor Index den besten Januar seit neun Jahren, plus 12 Prozent. Der breite US-Aktienindex S&P 500 hat in der gleichen Zeitperiode 2,6 Prozent an Wert gewonnen. Die steigende Nachfrage nach Chips stützt die Preise und führt zu grossen Investitionen von Chipherstellern in neue Produktionskapazitäten.

Angeführt wird die Rally daher von Unternehmen, die Materialien und Geräte für die Chipherstellung produzieren. Dazu gehören Applied Materials, MKS Instruments, Lam Research und Brooks Automation. Das Kursplus dieser Aktien beträgt seit Jahresbeginn zwischen 19 und 25 Prozent.

Auch der Schweizer Vakuumventil-Hersteller VAT ist gut ins neue Jahr gestartet. Die Aktien haben im Januar bereits über 15 Prozent gewonnen. Das Unternehmen hat dank des halbleiterbezogenen Ventilgeschäfts im vergangenen Jahr ein starkes Umsatzwachstum vermeldet.

Wieder Anklang für Intel

Aktien eigentlicher Chiphersteller wie Nvidia oder AMD haben mit plus 6,2 und minus 0,2 Prozent einen vergleichsweise enttäuschenden Lauf. Eine Ausnahme bilden mit plus 23 Prozent die Titel des weltweit grössten Vertrags-Chipfertigers TSMC. Der taiwanesische Riese hat vor kurzem Pläne präsentiert, wonach 2021 Investitionen in der Höhe von 28 Milliarden Dollar anstehen – eine Steigerung von 63 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Auch die Aktien des ehemaligen Halbleiterkönigs Intel finden allmählich wieder Anklang bei den Investoren. Insbesondere der vor einer Woche angekündigte Chefwechsel wurde wohlwollend aufgenommen. Intel lässt im Januar mit einem Kursplus von über 25 Prozent sogar seinen Rivalen TSMC hinter sich. Intel am Donnerstag seine Quartalszahlen präsentiert und die Erwartungen deutlich übertroffen

Positive Prognosen

Anleger von Chipaktien erfreuen sich aktuell zahlreicher positiver Marktprognosen. So hat das auf Speicherelemente spezialisierte US-Unternehmen Micron Anfang Januar eine sehr optimistische Prognose für die Nachfrage nach Speicherchips signalisiert. Analysten gehen davon aus, dass der Speicherchiphersteller 2021 ein zweistelliges Umsatzwachstum erzielen wird.

«Investoren wissen angesichts der weit verbreiteten Kommentare zur starken Nachfrage, dem knappen Angebot und der guter Preise, dass Unternehmen der Halbleiterindustrie starke Zahlenkränze präsentieren werden», schrieb Analyst Chris Caso von Investmentbank Raymond James in einem Forschungsbericht. «Das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage ist insbesondere positiv für die Zuliefererbetriebe der Halbleiterindustrie.»

Die Aktien der Unternehmen, die Materialien und Geräte für die Chipherstellung produzieren, sollten daher weiter steigen. Das erwartete Gewinnwachstum wird vermutlich übertroffen. Für Analyst C. J. Muse der Investmentbanking-Beratungsfirma Evercore sind für 2021 ASML, Applied Materials und Lam Research die Top-Aktien-Picks. Dies gab er in einem Forschungsbericht am Dienstag bekannt. 

Bö, rap – mit Material von «Bloomberg».

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