Deutschland hat möglicherweise bereits zwei Quartale mit schrumpfender Wirtschaftsleistung hinter sich. Klarheit haben wir, wenn die BIP-Zahlen zum dritten Quartal am 14. November veröffentlicht werden. Die jüngsten Stimmungsindikatoren vom Oktober geben keine Entwarnung.

Sowohl das ifo-Barometer als auch die Einkaufsmanagerindices verharrten auf tiefen Niveaus. Schliesslich vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Unternehmen — zuletzt waren es unter anderem die Chemieriesen BASF und Covestro — über die schwachen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen klagt.

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Keine Hilfe von den USA

Selbst von den USA ist inzwischen keine Hilfe mehr zu erwarten. Lange Zeit galt die US-Wirtschaft als Fels in der Brandung. Aber auch hier weist das Konjunkturbild immer mehr Risse auf. Nicht nur die Investitionsnachfrage, sondern auch die Zahl der neuen Jobs befindet sich mittlerweile im Abwärtstrend. Dem zehnjährigen Aufschwung geht offenbar die Puste aus.

Die Finanzmärkte liessen sich vom schwachen konjunkturellen Umfeld zuletzt nicht aus der Ruhe bringen. Statt Katerstimmung herrscht an den Aktienbörsen Feierlaune. Der Dax erklomm Ende Oktober ein neues Jahreshoch, der S&P500 markierte sogar einen neuen Rekordstand.

Gleichzeitig mussten die sicheren Häfen Federn lassen. In der Folge haben sich die Renditen hochqualitativer Staatsanleihen von ihren Tiefstständen entfernt. Zehnjährige deutsche Bundesanleihen rentieren mit rund ‑0,35 Prozent inzwischen fast 40 Basispunkte über ihrem Tiefstand von Anfang September, bei Schweizer Eidgenossen beträgt der Anstieg nahezu 60 Basispunkte.

Haben sich die Finanzmärkte in eine Euphorie ohne Fundament gesteigert?

Derzeit ist es um die Weltwirtschaft zweifellos nicht gut bestellt. Allerdings verdichten sich in Asien und Europa die Indizien, dass das Schlimmste vorbei ist und der konjunkturelle Tiefpunkt im laufenden Quartal durchschritten wird.

Auf eine Stabilisierung deuten unter anderem die vorauslaufenden Komponenten der Umfragen hin. So haben sich etwa die ifo-Geschäftserwartungen im deutschen Fahrzeugbau zuletzt deutlich erholt. Auch bei den Auftragseingängen gibt es Hoffnungsschimmer. Unsere eigenen Frühindikatoren gehen noch einen Schritt weiter und signalisieren für die kommenden Monate eine spürbare konjunkturelle Belebung. 

Verantwortlich dafür ist das grundsätzlich positive fundamentale Umfeld in Europa. Die Finanzierungskosten für die Unternehmen sind so niedrig wie nie. Gleichzeitig ist die Zeit der öffentlichen Sparhaushalte in der Währungsunion vorbei.

Vielerorts werden die Steuern gesenkt und die Staatsausgaben in die Höhe geschraubt, was die Binnennachfrage genauso stützt wie das anziehende Lohnwachstum. Überdeckt wurde dieser fruchtbare Nährboden lange Zeit von den politischen Risiken. Hier gibt es aber ebenfalls Entspannungssignale.

Die Wahrscheinlichkeit eines No-Deal-Brexits ist inzwischen gegen null gesunken. Gleichzeitig haben sich China und die USA im Handelsstreit vorsichtig angenähert. Insofern bestehen gute Chancen, dass die an sich freundlichen fundamentalen Rahmenbedingungen endlich zum Tragen kommen und die Konjunktur nach oben dreht.

Vor dieser Kulisse gehen wir davon aus, dass der Aufwind an den europäischen Aktienbörsen anhält und in wachsendem Masse fundamental abgestützt wird.

Wo könnte das Zielniveau 2020 liegen? In einem normalen Aufschwung sind Kursgewinne von 20 bis 25 Prozent innerhalb eines Jahres eher die Untergrenze als die Obergrenze. Der Dax sollte daher 2020 einen neuen Allzeitgipfel in Angriff nehmen und 13'600 Punkte überwinden. Und der Eurostoxx50 zumindest ein 12-Jahres-Hoch über 4100 Punkten erklimmen.

Auch der Schweizer SMI dürfte weiter haussieren. Allerdings ist sein defensiver Charakter — anders als 2019 — im kommenden Jahr eher ein Nachteil.

Die Verlierer

Hochqualitative Staatsanleihen — allen voran deutsche Bundesanleihen und Eidgenossen — werden dagegen zu den Verlierern der konjunkturellen Erholung zählen. Der aktuelle Renditeaufwärtstrend wird sich entsprechend 2020 fortsetzen.

Wo könnte hier der Hochpunkt liegen? Derzeit erwarten die Märkte über die kommenden drei Jahre hinweg so gut wie keine Leitzinserhöhungen von EZB und SNB. Das halten wir für übertrieben. Im Zuge der von uns prognostizierten zyklischen Belebung sollten zumindest für die Jahre 2021/2022 geldpolitische Straffungen eingepreist werden.

Die Renditen zehnjähriger Eidgenossen dürften in Anbetracht dessen wieder an der Nulllinie schnuppern, deutsche Bundesanleihen werden sie sogar klar überqueren. Für Ende 2020 rechnen wir hier mit +0,30 bis +0,40 Prozent.

 

*Daniel Hartmann ist Chefökonom der Bantleon Bank AG in Zug