Kurz vor dem Brexit-Stichtag haben die meisten Banken ihre Wahl getroffen und Teile ihres Geschäfts aus London abgezogen.

Eine neue Studie des Think Tanks «New Financial» zeigt, dass mehr Mitarbeiter, Geschäftsbereiche und verwaltete Vermögen aus London abgezogen werden, als bisher angenommen. Damit könnte auch die Bedeutung des Finanzplatzes London sowohl innerhalb Europas als auch international schwinden. 

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Europäische Finanzwelt wird dezentraler

Dublin ist grösster Profiteur: 100 Banken und andere Finanzdienstleister haben Verlagerungen aus London in die irische Hauptstadt vorgenommen: etwa Goldman Sachs, JP Morgan, Credit Suisse und HSBC. An zweiter Stelle folgt Luxemburg mit 60 Umzügen – Investmentgesellschaften wie Schroders, Janus Henderson und Aviva Investors haben Teile ihrer Belegschaft dorthin umgesiedelt. Nach Paris gab es 41 Verlagerungen, nach Frankfurt 40 und nach Amsterdam 32.

Laut der Studie haben insgesamt rund 270 Finanzdienstleister ihre Drehscheibe in die EU verlegt. Allerdings haben sich mehr als 40 Banken nicht nur für eine Alternativ-Stadt entschieden, sondern für mehrere Standorte. Fast die Hälfte der Vermögensverwalter, Hedge Fonds und Private-Equity-Firmen wählten Dublin, Frankfurt hingegen war der Favorit für die meisten Banken und Investmentbanken.

So auch die Credit Suisse: Das Investmentbanking der zweitgrössten Schweizer Bank wird nun in Frankfurt gemacht – die Abteilung Märkte ging nach Madrid sowie weitere Städte. 250 CS-Mitarbeiter sollen davon betroffen sein. Auch die UBS setzt vor allem auf Frankfurt, verschiebt aber einige der insgesamt 200 Mitarbeiter aus London an andere EU-Standorte wie Amsterdam, Mailand, Madrid und Paris.

Mitarbeiter und Assets in Milliardenhöhe

Insgesamt werden rund 5000 Mitarbeiter betroffen sein, heisst es in der Studio. Wobei diese Zahl in den kommenden Jahren stark zunehmen könnte. Die grössten Umsiedlungen betreffen maximal 10 Prozent der Belegschaft einzelner Firmen.

Viel eindrücklicher als die Anzahl der umgesiedelten Mitarbeiter, sind die verlagerten Assets. «New Financial» geht von gewaltigen Beträgen aus: Banken und Investmentbanken könnten 800 Milliarden Pfund – umgerechnet über 1 Billion Franken – an verwalteten Vermögen verlagern. Das entspricht 10 Prozent der britischen Bankensystems. Vermögensverwalter haben bereits mehr als 65 Milliarden Pfund (85 Mrd. CHF) und Versicherungsfirmen 35 Milliarden Pfund (45 Mrd. CHF) verschoben. 

Allerdings halten die Studienautoren den Prozess für noch nicht abgeschlossen, denn einige Finanzdienstleister seien noch nicht ausreichend auf den Brexit vorbereitet oder hätten Teile ihres Geschäfts und Mitarbeiter im Stillen verlagert. Zudem stellen sie fest, dass viele Finanzunternehmen noch weitere Bereiche verlagern werden müssen, um den Zugang zum EU-Markt nicht zu verlieren. 

Bedeutung der City

Denn die wahren Folgen des Brexit würden teilweise noch unterschätzt, etwa wenn die Regulatoren in den EU-Ländern künftig verlangen könnten, dass die Banken ihre Geschäfte vor Ort wesentlich ausbauen.

So versuchen viele Finanzdienstleister weiterhin, möglichst einen grossen Teil ihres Geschäfts weiterhin in der City zu halten. Daher werde London nach dem Brexit zwar an Bedeutung einbüssen, aber auf absehbare Zeit seinen Status als wichtigstes Finanzzentrum in Europa erst einmal nicht verlieren.