Eine Zahl tönt nach viel oder nach wenig, je nach ihrer Potenz. 0,13 Billionen Franken wirken niedlich, 130 000 Millionen immens, 130 Milliarden gewöhnlich. So hoch sind etwa die Schulden des Bunds. Wobei die Zahl für sich allein wenig sagt. Kein Bankier beurteilt einen Kunden isoliert nach dessen Schulden, sondern fragt immer auch nach dem Vermögen. Sobald jedoch Politiker beginnen, das Tafelsilber des Staats auf kaufmännische Art in Franken umzurechnen, stellen sich verflixte Fragen der Bewertung. Bis heute löst die Schweiz dieses Problem von Gesetzes wegen auf typisch konservative Art: Alle Vermögensteile werden konsequent tief bilanziert – entweder zum Nominalwert oder zum ursprünglichen Anschaffungswert.

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Konkret hat der Bund etwas Geld in bar, etwas Geld in Anlagen und einige Rechnungen offen, das ergibt insgesamt 20 Milliarden an Finanzvermögen. Bis hierher ist die Sache klar. Heikel wird es bei allen andern Aktiven, die weniger liquide sind. Nach der jetzigen konservativen Praxis werden alle diese Werte zu insgesamt wenig mehr als 20 Milliarden Franken eingesetzt, womit in der Finanzrechnung des Bunds ein Finanzfehlbetrag von knapp 90 Milliarden erscheint. Das ist nobles Understatement. Hier sitzt die Eidgenossenschaft auf einem Polster, das man gewöhnlich stille Reserven nennt.

Laut geworden ist es neulich um die Swisscom-Aktien, die an der Börse rund 17 Milliarden Franken wert sind. Der Bund aber ist laut Gesetz verpflichtet, diese Papiere zu ihrem Nennwert zu bilanzieren: also zu lediglich 0,041 Milliarden Franken.

Die Post wird mit 1,3 Milliarden Franken eingesetzt, was angesichts der vielen erstklassigen, zentral gelegenen Gebäude ebenfalls ein putziger Betrag ist. Dasselbe bei den so genannten Hochbauten: Das prächtige Bundeshaus, diverse andere repräsentable Bundesämter in Bern, Neuenburg und anderswo, all das setzen die Bundesbuchhalter zu seinem ursprünglichen Kaufpreis ein, der insgesamt 6,1 Milliarden Franken betragen hat. Im Übrigen sind die Anlagen der Armee in der Bilanz des Bundes gar nichts wert, wie es international gängige Praxis ist.

Die SBB hingegen erscheinen zu ihrem Dotationskapital von 9 Milliarden Franken. Ist das für die Bundesbahnen realistisch? Kommt darauf an. Würde der Bund einen privaten Käufer verpflichten, den Bahnbetrieb fortzuführen, sänke der Wert wohl gegen null, da der heutige Betrieb bekanntlich nur dank enormen Subventionen möglich ist. Dürfte hingegen ein privater Käufer mit den SBB tun, was er möchte, avancierte er zum wohl grössten Immobilienhändler der Schweizer Geschichte: Die heutigen Bahnhöfe und Geleise stehen auf einem Areal von über 100 Quadratkilometern.

Und erst die 1100 Kilometer langen Nationalstrassen, die offiziell gar nicht dem Bund, sondern den Kantonen gehören. Würde man das Autobahnnetz an den Meistbietenden versteigern, liessen sich «problemlos 50 Milliarden Franken generieren», sofern Private im Gegenzug ein Mautsystem installieren und Gebühren erheben dürften, wie die Bank Julius Bär in einem ihrer letzten Wochenberichte hochgerechnet hat. Demnach sind die Autobahnen also gut 100-mal mehr wert, als die Lufthansa für die Swiss bezahlt hat.

Gemessen am Vermögen, ist die Eidgenossenschaft keineswegs überschuldet. Also ist es auch kein Zufall, dass die Politiker sich zurzeit Gedanken machen über neue Rechnungsmodelle, mit denen sie etwas näher an die effektiven Marktwerte herankämen. Auf diese Art liesse sich der Schuldenberg kosmetisch verschönern.

Doch das Problem bleibt: Die heutige Schweiz lebt über ihre Verhältnisse. Ihr Vermögen, so unschätzbar riesig es erscheinen mag, ist historisch gewachsen, verteilt über einen Zeitraum von mehr als 150 Jahren. Die Schulden hingegen sind zum weitaus grössten Teil erst in den letzten 15 Jahren aufgehäuft worden.