Die Summe, die Jahr für Jahr von neuem vererbt wird, ist unvorstellbar: 28,5 Milliarden Franken. Würde man dieses Geld schön gleichmässig verteilen auf alle Menschen, die in der Schweiz wohnen, käme ein Sümmlein heraus, das immerhin für eine anständige Ferienreise ausreichen würde. Konkret: «Die durchschnittliche Erbschaft pro Kopf und Jahr beträgt 3930 Franken.» So steht es auf einem Poster mit den ersten Vorausresultaten einer ersten Nationalfondsstudie über das «Erben in der Schweiz», welches das Berner Büro für Arbeits- und sozialpolitische Studien (Bass) präsentiert.

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Diese 3930 Franken pro Kopf sind natürlich eine reine Spielerei, die mit der Realität nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Man erbt nicht jedes Jahr, sondern normalerweise einmal im Leben, höchstens zweimal, mit 30 Prozent Wahrscheinlichkeit sogar keinmal. Und wenn eine Person dann tatsächlich zu den «glücklichen» zwei Dritteln gehört – nämlich zu jenen, die irgendwann erben –, dann ist der Betrag, der ausgeschüttet wird, hoffentlich ein Vermögen: im Durchschnitt 178 700 Franken.

Doch auch das ist schon wieder eine Zahl, die nur in ganz wenigen Fällen zutrifft. Denn selbst von denjenigen, die etwas erben, erbt jede zweite Person «fast nichts», wie das Bass schreibt. Im Klartext: Die unteren 50 Prozent der Erben erhalten im Durchschnitt weniger als 10 000 Franken, während die obersten 10 Prozent drei Viertel der gesamten Erbsumme für sich beanspruchen dürfen, was sich dann pro Person in der Grössenordung von einer halben Million an aufwärts bewegt.

Warum ist das Erbe in den meisten Fällen so klein – in ein paar seltenen Fällen aber fast unendlich gross? Weil das Vermögen in der Schweiz ungleich verteilt ist. 70 Prozent der Bevölkerung kommen gerade auf 7 Prozent des gesamten Vermögens, die obersten 3 Prozent hingegen besitzen 50 Prozent des gesamten Vermögens, wie die Statistiken der Eidgenössischen Steuerverwaltung zeigen. Die Vererbung ändert an diesen Zuständen nichts. «Im Gegenteil ist zu vermuten, dass Erbschaften einen wesentlichen Faktor für die Weitergabe der sozialen Unterschiede von einer Generation zur nächsten darstellen», sagt Susanne Schmugge vom Bass.

Diese private Weitergabe der Vermögen spielt sich erst in der zweiten Lebenshälfte ab, schliesslich hängt die Lebenserwartung in der Schweiz stark vom sozialen Status ab. Je reicher die Menschen, umso älter werden sie, weshalb ihre Nachkommen, bis sie endlich ans grosse Geld herankommen, auch schon ziemlich alt sind. In Zahlen: 72 Prozent der jährlichen Erbsumme gehen an über 50-Jährige, 28 Prozent gar an Leute, die bereits eine AHV-Rente beziehen.

Könnten die Betroffenen selber wählen, würden sie das Geld verständlicherweise lieber etwas früher erhalten. In einer Univox-Umfrage fordern 82 Prozent: «Wenn möglich sollte man das Vermögen schon zu Lebzeiten den Nachkommen verschenken.» Genau das geschieht auch. Neben den Erbschaften kommt es zu beträchtlichen Schenkungen, die sich im Jahr auf 5,7 bis 7,1 Milliarden Franken belaufen. Analog zu den Erbschaften profitiert eine ähnlich kleine Schicht – wobei diese Privilegierten zehn Jahre jünger sind. Meist sind sie zwischen 35 und 40.

Quelle: Tobias Bauer, Heidi Stutz, Susanne Schmugge: Erben in der Schweiz. Das Poster gibt es als PDF unter www.nfp52.ch