Die Kurzarbeit ist auf ein Rekordtief gesunken. Nach der Finanzkrise ein grosses Thema und zuletzt nach dem Franken-Sprung von 2015 wieder in aller Munde, ist die Krisenmassnahme fast in der ganzen Schweiz praktisch verschwunden. Aktuelle Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) zeigen, dass Ende Januar nur noch 61 Firmen Kurzarbeit abgerechnet hatten. Ganze 718 Personen arbeiteten mit einem reduzierten, staatlich subventionierten Pensum, die meisten von ihnen in der Industrie.

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Der Rückgang der letzten Jahre ist eindrücklich: Im vergangenen Jahr waren im Jahresschnitt noch 1440 Personen in Kurzarbeit beschäftigt, 2017 sogar noch mehr als 4000. Von den Höchstständen 2009 mit zeitweise mehr als 90 000 Kurzarbeitenden sind diese Werte weit entfernt. Anders gesagt: Die Schweiz arbeitet wieder lang. 

Die meisten Betroffenen bei VAT

Die Zahlen wären noch tiefer, gäbe es nicht einzelne Ausreisser. So hat etwa die St. Galler VAT Vakuumventile AG, eine Tochter der börsenkotierten VAT Group, im vergangenen Oktober 400 Mitarbeitende für Kurzarbeit angemeldet. Ende März wurde die Bewilligung um weitere drei Monate verlängert. VAT produziert Komponenten für die Herstellung von Mikroprozessoren.

Überhaupt ist der Kanton St. Gallen relativ stark von Kurzarbeit betroffen. Anfang April seien 600 Angestellte für Kurzarbeit angemeldet gewesen, teilte der Kanton mit. Mit den abgerechneten Kurzarbeit-Leistungen sind diese Zahlen jedoch nicht direkt vergleichbar, da offenbar nicht jede Anmeldung auch zu einer Zahlung führt. 

Mit ein Grund für die rückläufigen Zahlen dürfte auch ein Richtentscheid des Seco im Mai 2018 gewesen sein. Damals beschloss das Staatssekretariat, dass die Frankenstärke nicht mehr als Grund für Kurzarbeit akzeptiert werde. Seit der Aufhebung der Euro-Franken-Untergrenze im Jahr 2015 habe sich die Überbewertung des Franken spürbar verringert, so die Argumentation des Seco.Zuletzt hatten die Gesuche 2015 deutlich zugelegt, nachdem sie im Vergleich zu den Krisenjahren 2008/2009 bereits stark gesunken waren (siehe Grafik). 

An die einstigen Extremstände schlossen sie aber nicht mehr an. Nach der Finanzkrise gab es Kantone wie Jura und Neuenburg, in denen mehr als 10 Prozent aller Werktätigen Kurzarbeitsgeld bezogen. Doch lohnt sich Kurzarbeit überhaupt? Ist sie mehr als ein staatliches Beschäftigungsprogramm, um ein rein nominelles Ansteigen der Arbeitslosenquote zu verhindern?

Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) ist dieser Frage nachgegangen und kam vergangenes Jahr in einer Studie zum Schluss, dass sich Kurzarbeit nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig lohne. Es war die erste Studie mit einer so klaren Aussage.

Kurzarbeit verhindert Entlassungen

Das KOF verglich die Stellenentwicklung von Firmen in Kurzarbeit mit solchen, die zwar ebenfalls Kurzarbeit beantragt hatten, denen diese aber nicht genehmigt wurde. Die Analyse zeige «klar, dass die Kurzarbeit in den Jahren 2009 bis 2015 dazu beigetragen hat, Entlassungen zu verhindern», so die Forscher. So stieg die Zahl der jährlichen Entlassungen bei den Firmen ohne Kurzarbeit von 1 Prozent der Belegschaft vor dem Antrag auf 4 Prozent nach der Ablehnung. Bei Firmen in Kurzarbeit hingegen stiegen die Entlassungen bis auf 2 Prozent an.

Auch werde durch die Kurzarbeit die Entlassung nicht bloss aufgeschoben, wie oft vermutet wird, schreiben die Autoren. Firmen ohne Kurzarbeit entliessen auch drei Jahre nach dem Antrag noch deutlich mehr Mitarbeitende als solche, denen die Kurzarbeit genehmigt wurde. Die Forscher: «Gemäss unseren Schätzungen reduzierte sich die Zahl der Entlassenen dank Kurzarbeit in den drei Jahren nach einem Kurzarbeitsantrag um mindestens 10 Prozent der Belegschaft.» Auch finanziell gehe die Rechnung auf. Was über Kurzarbeit zusätzlich durch die Arbeitslosenkassen ausgegeben wurde, sparten diese bei den regulären Beiträgen ein. 

Langfristig, so die Autoren, könnte die Kurzarbeit aber nachteilige Folgen haben. «Es ist möglich, dass Kurzarbeit den Wandel von unproduktiven zu produktiven Sektoren und Firmen bremst.»

Michael Heim Handelszeitung
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