Die Schweiz ist Innovations-Weltmeisterin. So zumindest steht es im Globalen Innovationsindex der Weltorganisation für geistiges Eigentum (Wipo). Bereits zum achten Mal in Folge belegt die Alpenrepublik 2018 den ersten Rang, gefolgt von den Niederlanden und Schweden. Punkten können die Schweizer insbesondere im Bereich Patente und geistiges Eigentum. Und auch in Forschung und Entwicklung (F&E) wird hierzulande kräftig investiert – wie aktuelle Berechnungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY zeigen, weltweit sogar am meisten. Zumindest verhältnismässig.

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Demnach gaben hiesige Unternehmen 2017 durchschnittlich 6,6 Prozent ihres Umsatzes für Forschung und Entwicklung aus – das ist weltweit spitze. Allerdings: Im Vergleich zum Vorjahr ist der Anteil um 0,5 Prozent gesunken. Andere Länder mit einer hohen F&E-Intensität haben diese hingegen mindestens konstant gehalten, wenn nicht sogar erhöht.

Schweiz vor den USA

So investieren US-Firmen durchschnittlich 5,9 Prozent ihrer Umsätze (genauso viel wie im Vorjahr), gefolgt von den Schweden, die ihre F&E-Intensität um 0,4 auf 4,4 Prozent erhöhten. Deutsche Unternehmen gaben durchschnittlich 4,1 Prozent ihrer Umsätze aus, was ebenfalls dem Vorjahreswert entspricht.

Für Marcel Stalder, CEO von EY in der Schweiz, ist der Rückgang der F&E-Investitionen in der Schweiz kein direkter Grund zur Sorge, schliesslich seien die entsprechenden Ausgaben nach wie vor vergleichsweise hoch. «F&E ist für viele Unternehmen zwar ein wesentlicher Bestandteil, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben – auch für Schweizer. Es ist aber nicht der einzige», so Stalder. «Gerade in Zeiten rasanten Wandels werden in nahezu allen Branchen Ökosysteme, strategische Allianzen und Partnerschaften immer wichtiger. Dies sind ebenfalls Innovationfaktoren, zeigen sich allerdings nicht in den F&E Ausgaben.»

Weltweit steigen die Forschungsausgaben

Der Druck steigt dennoch: Denn ausländische Unternehmen erhöhen ihre Forschungsausgaben rapide. Rund um den Globus haben Grosskonzerne im vergangenen Jahr ihre Innovationsbudgets ordentlich aufgestockt: Laut EY stiegen die F&E-Ausgaben der 500 grössten F&E-Investoren der Welt 2017 um 6 Prozent auf 532 Milliarden Euro – 65 Prozent der Unternehmen liessen gegenüber dem Vorjahr mehr springen.

Vorneweg die in vielen Bereichen ohnehin schon dominierenden Amerikaner: Sieben der zehn Top-Investoren kommen aus Übersee, sie alle investierten 2017 so viel Geld in ihre Zukunft wie nie zuvor. Keinen Grenzen scheint vor allem die Investitionsbereitschaft der US-Digitalkonzerne zu kennen: So erhöhte Amazon seine Forschungsausgaben um stolze 41 Prozent. Mit umgerechnet sagenhafte 20,1 Milliarden Euro verfügt der Konzern von Jeff Bezos über das weltweit höchste Innovationsbudget, gefolgt von Googles Muttergesellschaft Alphabet mit 14,8 Milliarden Euro (plus 19 Prozent) und Samsung mit 13,1 Milliarden Euro (plus 14 Prozent).

«US-Digitalriesen wollen die Welt beherrschen»

Die Ursache ist schnell ausgemacht: Immer kürzere Produktzyklen, der rasante technische Fortschritt sowie sich rasch verändernde Verbraucherwünsche erhöhen den Druck auf die Unternehmen, ihre F&E-Budgets aufzustocken. «Gerade in den USA sind die F&E-Ausgaben deutlich gestiegen», sagt Stalder. «Dies ist ein klares Zeichen, vor allem von US-Digitalriesen, dass sie die Welt beherrschen wollen, auch wenn es sich kurzfristig negativ auf Kosten und Margen auswirkt. Eine solche Risikobereitschaft finden wir in der Schweiz kaum.»

So erhöhten die US-Konzerne ihre F&E-Ausgaben mit durchschnittlich 11 Prozent sogar mehr als ihre Umsätze zulegten (plus 8 Prozent). In der Schweiz ist es umgekehrt: Während die untersuchten Schweizer Unternehmen zwar 2 Prozent mehr umsetzten, büsste ihr Forschungsbudget dennoch um 1 Prozent ein.

Roche investiert in der Schweiz am meisten

Pharmariese Roche nimmt dabei hierzulande am meisten Geld in die Hand: 10,2 Milliarden Euro waren es 2017. Im Ranking der 500 grössten F&E-Investoren macht das Platz 8. Rivale Novartis folgt auf Platz 12 mit knapp 8 Milliarden, vor Nestlé mit 1,6 Milliarden Franken auf Rang 89. Doch auch hier zeigt sich: Im Vorjahr lag das Innovationsbudget bei den drei Firmen noch um 2 bzw. jeweils 1 Prozent höher. 

Was steckt dahinter?

«Die fundamentale Transformation nicht nur hinsichtlich Digitalisierung, sondern auch darüber hinaus – wenn es um die Adaption des Geschäftsmodells geht  –  stellt viele Unternehmen vor grundlegende Entscheide, was ihre Geschäftstätigkeit angeht. Das führt dazu das Unternehmen hinsichtlich Investitionen in F&E zurückhaltender sind und anders investieren», erklärt EY-Schweiz-Chef Stadler.

F&E kein Erfolgsgarant

Dass weltweit Konzerne ihre Forschungsausgaben zum Teil massiv erhöhen, sollte für Schweizer Firmen zwar eine Warnung sein, sich nicht auf ihrer guten Position auszuruhen. Allerdings: «Früher entstanden Innovationen zum Grossteil durch Investitionen in F&E. Heute – durch die fundamentale Transformation – werden Innovationen durch verschiedene Faktoren getrieben», sagt Stalder. Dazu würden die Förderung der eigenen Teams gehören, ebenso wie die Einbindung der Kunden, Universitäten sowie der Austausch in Ecosystemen. «Die Budgets für F&E sind deshalb nicht mehr wirklich aussagekräftig, wie viel Innovationen wirklich getrieben werden. Firmen mit kleinen Budgets sind unter Umständen innovativer.»

Hohe F&E-Ausgaben führen also nicht zwangsläufig zu einer steigenden Innovationskraft. Doch umgekehrt gilt auch: Wer wenig investiert, kann auch keine grossen Durchbrüche erwarten.