Bier soll allein «aus Gersten, Hopfen und Wasser» gebraut werden. So hat es der bayerische Herzog Wilhelm IV. vor gut 500 Jahren zusammen mit seinem Bruder erlassen. Und so beten viele Deutsche noch heute dieses «Reinheitsgebot» nach – und ignorieren, dass ohne die von Herzog Willi noch nicht erwähnte Hefe kein Schluck Bier gebraut werden könnte. Doch dazu ein anderes Mal. Denn heute geht es um das Malz, die wohl wichtigste Zutat im Bier.
Malz ist gekeimtes Getreide und wird aus zwei Gründen beim Brauen gebraucht: Die darin enthaltene Stärke ist die Grundbasis für die alkoholische Gärung. Umgewandelt in Zucker dient sie der Hefe als Nahrung. Für diese Umwandlung wiederum braucht es Amylase-Enzyme, und diese stecken ebenfalls im Malz. Diese Kombination aus Stärke und Enzymen ermöglicht erst das Bierbrauen.
Für gewöhnlich wird bei den meisten alltäglichen Biersorten Gerstenmalz verwendet. Doch interessant wird es immer dann, wenn diese Regel verletzt wird. Die bekannteste Regelverletzung stammt aus Bayern: Für das berühmte Weizen- oder Weissbier wird zusätzlich zur Gerste mindestens gleich viel Weizen verwendet. Warum Weizen? Er macht das Bier aromatischer und gibt ihm die typischen Bananen- oder Nelkenaromen.
Reis und Mais haben eines gemeinsam: Sie liefern wenig Charakter und werden eher als günstige Zuckerlieferanten eingesetzt.
Doch gebraut werden kann mit fast jedem Getreide. In Amerika wird gerne Mais als Zuckerlieferant eingesetzt. Das mexikanische Corona ist das wohl berühmteste Beispiel dafür. Eine Schweizer Variante ist das in Einsiedeln gebraute «Maisgold». In Asien wiederum kommt gelegentlich Reis in den Braukessel, etwa bei Asahi und Hitachino. Und auch beim Reis gibt es Schweizer Varianten wie das von Locher gebraute Birra da Ris. Reis und Mais haben eines gemeinsam: Sie liefern wenig Charakter und werden eher als günstige Zuckerlieferanten eingesetzt.
Spannender wird es, wenn Zutaten verbraut werden, die man auch schmeckt. Roggen etwa, der gerade in Kombination mit Weizen fruchtige Noten und seidige Texturen ins Bier bringt. Und hierzulande findet gerade jetzt wieder die eine oder andere Kastanie den Weg in den Braukessel. Wie Getreide enthält auch sie viel Stärke. Gebraut wird dieses Bier meist dort, wo auch Kastanien wachsen: in den südlichen Alpentälern, etwa bei der Puschlaver Brauerei La Pus’ciavina und bei Beer Bomb im Misox. Halten Sie die Augen offen! Das sind oft saisonale Produkte.
Kein handwerklich gebrautes Bier kann aber ganz auf Malz aus Getreide verzichten. Denn die darin enthaltenen Enzyme – und Gerste enthält am meisten davon – müssten sonst künstlich zugefügt werden. Reis, Mais und Kastanien enthalten keine. Anders als in Deutschland, wo das Reinheitsgebot für untergärige Biere wie Lager und Pils immer noch weitgehend gilt, kann in der Schweiz aber fast jede Zutat beim Brauen verwendet werden. Es braucht nur ein wenig Fantasie.
Typisch: La Pus’ciavina Castegna

Die Kastanien für dieses obergärige «Chestnut Ale» stammen von Gianni Semadenis eigenen Bäumen in Brusio GR. Das Ergebnis ist ein Bier mit einer dunklen Bernsteinfarbe und einer leichten Bitterkeit im Nachtrunk. Das Bier hat einen schönen, eher trockenen Malzkörper mit einem feinen Kastanienaroma. Nicht zu kalt servieren.
La Pus’ciavina Castegna, Pacifi.ch, Poschiavo. Kastanienbier, 5% Vol. Alk., 3 dl, Fr. 4.00.
In dieser Kolumne schreiben die Handelszeitung-Redaktoren Michael Heim und Tina Fischer alternierend über Bier und Wein. Heim ist an einer Vereinsbrauerei beteiligt.

