In gebrochenem Deutsch und mit starkem Akzent begrüsst CEO Vas Narasimhan (47) die Novartis-Aktionärinnen und -Aktionäre am Dienstagvormittag in der Basler St. Jakobshalle: «Sehr geehrte Damen und Herren, herzlich willkommen.» Auch wenn es nur ein paar Brocken sind: Dass der US-Amerikaner an der Generalversammlung Deutsch spricht, hat Symbolkraft.

Denn Narasimhan wird nachgesagt, auf den Standort Schweiz zu pfeifen. Dass Novartis den Sitz hierzulande hat und daran auch festhalten wird, steht ausser Frage. Doch zumindest der CEO scheint es mit der Schweizer Verbundenheit nicht besonders eng zu nehmen. Da war etwa die Präsentation der Novartis-Jahreszahlen vor Schweizer Journalisten im Januar, zu der Narasimhan nicht einmal auftauchte, die Aufgabe seinem Finanzchef delegierte. Interviews in Schweizer Medien? Fehlanzeige. Lieber gibt Narasimhan angelsächsischen Journalisten Auskunft. Kein Wunder, die USA sind ein wichtiger Wachstumsmarkt für Novartis, Medienauftritte des CEO im US-TV-Sender CNBC haben eine andere Strahlkraft als hiesigen Medien.

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Abzocker-Initiative gerät in Vergessenheit

Auch mit der Schweizer Bescheidenheit ist es bei CEO Narasimhan nicht besonders weit her: 16,2 Millionen Franken Lohn kassiert er für das abgelaufene Jahr. Das ist fast doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Narasimhan wird damit zum bestbezahlten Manager der Schweiz – möglicherweise ganz Europas.

Er kommt damit zwar lange nicht an die Lohnexzesse seines Vorgängers Daniel Vasella (70) heran: Dieser verdiente für seine Doppelrolle als Verwaltungsratspräsident und CEO von Novartis einst 40 Millionen im Jahr. Doch das war zu einer anderen Zeit, namentlich vor Annahme der Abzocker-Initiative 2013.

«Wir stellen leider eine Rückkehr zu einem viel zu hohen Vergütungsniveau fest», warnt Vincent Kaufmann (43), Direktor der Anlagestiftung Ethos, an der Novartis-GV. «Wir müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Zu hohe Vergütungen können das Management dazu verleiten, zu hohe Risiken einzugehen, nur um ihrer eigenen Vergütung willen.»

Die hohen Saläre sorgen in der Halle für Empörung. «Die Löhne der Oberen steigen und steigen. Für alle anderen gibts nur Brosamen», sagt etwa die Kleinaktionärin Silvia Schaffner (78) an der GV zu Blick.

Ethos-Direktor Vincent Kaufmann warnt: «Wir stellen leider eine Rückkehr zu einem viel zu hohen Vergütungsniveau fest.»

Ethos-Direktor Vincent Kaufmann warnt: «Wir stellen leider eine Rückkehr zu einem viel zu hohen Vergütungsniveau fest.»

Quelle: Keystone

Millionen für die AHV statt für den CEO

Eine Ex-Angestellte, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, verweist auf den noch laufenden Stellenabbau bei Novartis. «In Anbetracht dessen frage ich mich schon, ob das gerechtfertigt ist.» Zur Erinnerung: 1400 Stellen baut Novartis in der Schweiz über drei Jahre gestaffelt ab. Nur ganz vereinzelt sind an der GV Stimmen von Aktionären zu vernehmen, die den Lohn als gerechtfertigt empfinden.

Novartis begründet den hohen CEO-Lohn unter anderem mit dem guten Geschäftsgang. Das Unternehmen schrieb letztes Jahr einen Umsatz von 45 Milliarden US-Dollar, unter dem Strich resultierte ein Gewinn von 8,6 Milliarden. Vas Narasimhan hat gut gearbeitet, also wird er auch extra-gut bezahlt, so die Logik. «Aber das ist doch nicht seine Eigenleistung, sondern eine Teamleistung», wirft Aktionär Anton Baumberger (73) ein. «Mit solchen Zahlen macht man einen Grossteil der Bevölkerung hässig!»

Ruth Weilenmann (72) findet das Salär dermassen unangebracht, dass sie sich ein Herz fasst und vor der versammelten GV ans Rednerpult tritt. «Braucht Herr Narasimhan diese astronomisch hohe Vergütung für seinen Lebensunterhalt? Ich wage zu behaupten: Nein.» Dann macht sie einen Vorschlag: «Bitte überweisen Sie die Erhöhungssumme direkt an die AHV Schweiz.» Der Saal quittiert es mit schallendem Gelächter und grossem Applaus.

Actares, eine Organisation, die individuelle Aktionäre vertritt, fordert CEO-Löhne von höchstens 3 Millionen Franken. Ansonsten sei die interne Verteilgerechtigkeit gefährdet, argumentiert Actares-Präsident Rolf Kurath (69). «Eine Produktionsmitarbeiterin in einem Novartis-Labor hat einen Jahreslohn von schätzungsweise 100'000 Franken», rechnet er vor. «Im Vergleich zum CEO beträgt die Lohnschere 1 zu 160, das ist doch verrückt!» Das sei nicht nur zutiefst ungerecht, sondern schade auch der Motivation des Personals, ist Kurath überzeugt.

Novartis-Präsident Jörg Reinhardt: «Wir machen den Spagat zwischen dem, was gerade noch als akzeptabel empfunden wird und dem, was im Rest der Welt bezahlt wird.»

Novartis-Präsident Jörg Reinhardt: «Wir machen den Spagat zwischen dem, was gerade noch als akzeptabel empfunden wird und dem, was im Rest der Welt bezahlt wird.»

Quelle: Keystone

Novartis-Präsident: «Gerade noch akzeptabel»

Vas Narasimhan nimmt die Voten gegen sein Millionensalär schweigend zur Kenntnis. An seiner statt äussert sich – wie an GVs üblich – der Verwaltungsratspräsident Jörg Reinhardt (67). «Wir machen den Spagat zwischen dem, was gerade noch als akzeptabel empfunden wird und dem, was im Rest der Welt bezahlt wird», begründet er. Der Durchschnittslohn bei den CEOs der 15 grössten Pharma-Konzerne weltweit liege bei 16 Millionen, so Reinhardt. Gerade die US-Pharmakonzerne sind für ihre exorbitanten Löhne bekannt. Pfizer-CEO Albert Bourla (62) etwa verdiente zuletzt 33 Millionen US-Dollar. «Wir wollen, dass die Besten bei uns arbeiten und bemühen uns dabei, fair zu bleiben», so Reinhardt.

Fair? In der Basler St. Jakobshalle finden es die allerwenigsten fair, wenn ein Einzelner über 16 Millionen erhält. Dennoch wird die Vergütung für die Geschäftsleitung am Ende mit 90 Prozent Zustimmung durchgewunken. Die Kleinaktionäre, die an Generalversammlungen ihrem Ärger Luft machen, halten einen dermassen kleinen Aktienanteil, dass ihre – wenn auch knackigen – Voten verpuffen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei «Blick» unter dem Titel: «Bitte überweisen Sie die Erhöhungssumme direkt an die AHV».